This chapter examines how open mic events are connoted with concepts of artistic authenticity. As part of a larger field study, it is based on qualitative interviews with people involved in the singer-songwriter open mic community in Hamburg, Germany. Open mics are events held in small venues like bars, community centers or small theaters, which provide short slots of stage time for everyone who wishes to perform. In Hamburg, several venues host open mic events, including those for singer-songwriters and those that are open for all kinds of performances. Singer-songwriters are often connoted with concepts of authenticity, as their songs are seen as intimate expressions of the artistʼs feelings and personality. Many regular guests and participants of open mics in Hamburg see this type of event as one in which the authenticity of the acts is particularly ensured, because the presented art is not filtered: people can just show up and perform their songs as they mean them to be. In this spirit, open mics are idealized by many of their proponents as spheres of artistic freedom where the demands of music industries, fashions and social media trends are mostly absent or at least ignored. Nevertheless, for ambitious artists, playing open mics is seen as a starting point that needs to be left behind one day in favor of full concerts. For some, this transition is fraught with the danger of loss of authenticity.
Ich bin eigentlich eher für das Schwammige. Ich bin für das Unausgewogene und für das Zufällige. Und dann gibt es Menschen, die sagen: „Du musst dich besser vorbereiten.“ … Dann gibt es Leute, die sagen: „Du bist zu ängstlich.“ Dann sagʼ ich: „Ja… Ich bin ängstlich und ich möchte mich aber auch nicht verstellen.“ Also ich möchte auch, dass das ein bisschen wahrgenommen wird. Ich möchte es nicht penetrant aufs Butterbrot schmieren, aber es ist – Ich möchte mich nicht verstellen. Ich möchte auch nicht das Wort jetzt sagen, was mit „A“ anfängt, was so inflationär gebraucht wird. Ich hasse es, aber: Wir kommen wohl nicht drum ʼrum, heute, um dieses Wort. [Autos fahren vorbei] Au- Auto! Auto, nee, nichʼ Auto. Authee-, authee-, au-, authen-. Outen! Nein, outen, ich will mich auch nicht outen. Verdammt nochmal, nicht outen. Authee-, Authäh-…
(Der Liedermacher Bernd Neuwerk, in Kubin 2016: 06:04–07:01)
Einleitung[1]
„Open Mic“ – kurz für Open Microphone – ist ein Veranstaltungsformat, das von vielen seiner regelmäßigen Gäste als eine Art Parallelwelt zum Musikgeschäft gesehen und zum Teil idealisiert wird: Es sei weitgehend unkommerziell, ungefiltert und dadurch von besonderer Authentizität. Gleichzeitig sehen einige der dort auftretenden Musiker[2] Open Mic-Slots nicht als Konzerten gleichwertige „richtige Gigs“ an, da die Auftritte sehr kurz und unbezahlt sind. In der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit Popmusik(-Schaffenden) werden Open Mics nur selten thematisiert und nehmen somit auch hier eine gewisse Sonderrolle ein. In einem kürzlich erschienenen Sammelband über die Beforschung von Live-Musik (Anderton/Pisfil 2022) werden sie in keinem Beitrag erwähnt. Insbesondere in der Forschung zu Musikwirtschaft kommen sie nicht vor und werden somit auch dort als eine abgekoppelte Parallele ge- bzw. übersehen.
Mit meiner Forschungsarbeit möchte ich einen Beitrag dazu leisten, Open Mics am Beispiel der Hamburger Veranstaltungen und der um sie bestehenden Community ethnographisch zu erschließen und zu dokumentieren. Der vorliegende Artikel widmet sich als Einzelfallstudie der Frage, welche Authentizitätskonzepte in der Hamburger Open Mic-Community verbreitet sind und wie sie mit diesem spezifischen Veranstaltungsformat zusammenhängen. Zunächst wird das Format Open Mic anhand der Schilderung eines typischen Ablaufs vorgestellt. Darauf folgt eine kurze Darlegung des Forschungsstandes zu Open Mics als Forschungssetting sowie zum Begriff der Authentizität als analytischem Diskurs in der Popularmusikforschung. Anhand bestehender Forschung und eigener Forschungsdaten wird erläutert, inwiefern seitens ihrer Rezipienten insbesondere die sogenannten Singer-Songwriter häufig mit dem Begriff der Authentizität konnotiert werden. Es wird dargelegt, dass den Open Mics eine besondere Purheit zugeschrieben wird, da bei diesem Veranstaltungsformat nahezu gar nicht gefiltert wird, wer auftreten darf, und da es zumeist nicht als Bühnenshow umgesetzt wird, sondern als gemeinsame Aktivität unter Gleichen. Gelegentlich sind Idealisierungen der Open Mics als Gegenpol zu Mode und Mainstream zu vernehmen, obwohl aktuelle Trends der Popmusik sich auch in einigen Auftritten dort widerspiegeln. Auch zeigt sich, dass Social Media – als Plattformen, um sich ggf. verzerrend in Szene zu setzen – unter den Teilnehmern gleichzeitig umstritten sind und doch als Werbemittel genutzt werden, gerade von denjenigen, die Ambitionen hegen, auch größere Konzerte zu spielen. Abschließend wird festgestellt, dass sie – trotz mancher Idealisierung der Open Mics als besonders authentisch – für ambitionierte Musiker eine Zwischenstation darstellen, die zugunsten größerer und bezahlter Auftritte zu überwinden ist. Dies wiederum wird mit der Gefahr eines Authentizitätsverlustes behaftet gesehen. Insgesamt zeigt sich, dass die vielfach gefühlte Parallelität von Open Mics und Musikmarkt unter bestimmten Faktoren nachvollziehbar, bei genauerer Betrachtung aber nicht haltbar ist und dass es durchaus Berührungspunkte gibt.
In meiner Forschung wende ich die etablierten Methoden der leitfadengestützten Interviewführung und der teilnehmenden Beobachtung an. Diese Methoden ergänzen sich gegenseitig, davon ausgehend, dass „Handlungsweisen nur der Beobachtung zugänglich seien, Interviews und Erzählungen als Daten nur Darstellungen über diese anbieten“ (Flick 2017: 281), die Interviews dafür allerdings „subjektive Theorien des Befragten über den Untersuchungsgegenstand rekonstruiert[en]“ (ebd.: 203). Zur Auswertung des erhobenen Materials codiere ich es mithilfe der Software MAXQDA. Aus einigen der bisher geführten Interviews zitiere ich im Folgenden zum Teil längere Passagen, um nicht bloß über die Hamburger Open Mic-Community zu schreiben, sondern auch Stimmen daraus selbst zu Wort kommen zu lassen. Hierfür habe ich die Zustimmung der betreffenden Personen eingeholt. Betonungen einzelner Wörter im Interviewmaterial sind kursiv transkribiert, Sprechpausen werden mit … markiert und von mir vorgenommene Kürzungen mit […]. Für eine bessere Lesbarkeit wurde auf die Niederschrift von „Ähms“ verzichtet oder sie wurden – insofern sie längere Sprechpausen begleiteten – durch … ersetzt.
Da ich selbst seit 2018 als Musiker wie auch seit 2019 als Veranstalter Teil der Open Mic-Community Hamburgs bin, ist mein Vorgehen zum Teil auto-ethnographisch, d.h. ich betrachte meine eigenen Erinnerungen und Erfahrungen das Forschungsfeld betreffend als Ressource und verwertbares Quellenmaterial: „Autoethnograf/innen schreiben retrospektiv und selektiv über Ereignisse, die daraus resultieren, dass sie Teil einer Kultur sind und/oder eine bestimmte soziokulturelle Identität besitzen“ (Adams et al. 2020: 474. Herv. i. O.). Dieses Vorgehen bedarf einer beständigen Selbstreflexion, um trotz der persönlichen Verwicklung eine kritische Distanz zum Forschungsfeld und -gegenstand zu wahren.
Ein typischer Ablauf
Das Veranstaltungsformat Open Mic ist international weit verbreitet. In Deutschland sind Open Mics auch als Open Stages oder Offene Bühnen bekannt. Das Setting gestaltet sich zumeist wie folgt: In einer Bar, einem Club, einem Stadtteilkulturzentrum oder einem kleinen Theater wird ein Bühnenbereich eingerichtet, welcher in einigen Fällen kaum vom Publikumsbereich abgetrennt und mit grundlegendem technischen Equipment wie einer PA-Anlage, einem Gesangsmikrofon, einem Klinkenkabel für Gitarren und ggf. einem E-Piano ausgestattet ist. Es ist ein Abend mitten in der Woche, da der Veranstaltungsort am Wochenende rentablere Veranstaltungen wie Partys oder gebuchte Konzerte geplant hat. Ein Gastgeber, zumeist ebenfalls Musiker, nimmt einige Grundeinstellungen vor, checkt den Sound der Anlage und legt eine Anmeldeliste aus. Eine Stunde bis eine halbe Stunde vor Veranstaltungsbeginn trudeln die ersten Gäste ein, die sich auf der Liste eintragen und sich auf diese Weise zehn bis 15 Minuten Bühnenzeit sichern. Die meisten von ihnen tragen Gitarren auf dem Rücken, einige kennen den Gastgeber bereits, da sie jeden Monat dabei sind und nebenher noch diverse ähnliche Veranstaltungen in der Stadt besuchen. Die Liste füllt sich mal schneller, mal weniger schnell, platzt irgendwann aus allen Nähten oder bleibt fast leer, was nicht zuletzt auch von der Jahreszeit abhängt. Um 20 Uhr eröffnet der Gastgeber den Abend, erklärt die Regel, dass jeder zwei bis drei Lieder spielen dürfe, und bittet um Respekt für alle Auftretenden. Entweder spielt der Gastgeber nun selbst einige Stücke oder es spielt ein gebuchter Eröffnungsact oder der Abend startet direkt mit dem ersten Namen auf der Liste. Wenn die Veranstaltung zwischen elf und ein Uhr nachts endet, werden acht bis 15 Acts auf der Bühne gestanden haben und das Publikum wird ebenso viele Auftritte erlebt haben, die alle in irgendeiner Hinsicht einzigartig waren. Auch wird das Publikum Menschen auf der Bühne erlebt haben, die an genau diesem Abend ihren ersten und/oder letzten Auftritt hatten, die entweder selbstsicher waren oder sich vor Nervosität ständig auf der Gitarre vergriffen, die entweder seichte oder anspruchsvoll gedichtete Lieder zum Besten gegeben haben, als „One-Woman-Punkrock-Band“ aufgetreten sind oder – erst kürzlich erlebt – dem überwiegend westlichen Publikum traditionelle tadschikische Trommelmusik mit enormer Virtuosität demonstrierten. Das Programm auf Open Mics ist stets unvorhersehbar und bietet Raum für vielerlei Überraschungen.
Forschungsstand
International ist bislang lediglich eine Monographie zu Open Mics für Singer-Songwriter erschienen, verfasst von Marcus Aldredge (2016a). Zu verschiedenen Formen von Open Mics – von Singer-Songwriter über Rap und Spoken Word bis hin zu Comedy – sind einige Aufsätze, Artikel und Abschlussarbeiten erschienen (Aldredge 2006; 2009; 2016b; Behr 2012; Edensor/Hepburn/Richards 2015; Fisher 2003; Hassert 2014; Guillard 2014; Jones 2017; Kihn 1994; Lee 2009; Martin 2019; Nebauer 2021). Die verhältnismäßig geringe Anzahl an publizierten Forschungsarbeiten steht im auffälligen Gegensatz zur weiten Verbreitung dieses partizipativen Veranstaltungsformats in zahlreichen Nationen. Im deutschsprachigen Raum stellen Open Mic-Communities oder -Netzwerke ein bislang vernachlässigtes Forschungsfeld dar. Die musikethnologische Dissertation des Singer-Songwriters Mathias Kom (2017) über die Verknüpfung der Antifolk-Szenen in New York und Berlin beleuchtet u.a., welchen Stellenwert Open Mics darin einnehmen. Ein Dokumentarfilm des Musikers Johannes Kubin mit dem Titel Open Stage Hamburg. Am Anfang war der Song (2016) setzt sich – anders als der Titel vermuten lässt – nicht primär mit Open Mics (bzw. Open Stages) auseinander, sondern streift sie als Teil einer größeren Hamburger Musiklandschaft.
Der Begriff der Authentizität ist – nicht nur im Open Mic-Kontext – häufig mit eher schwammigen Vorstellungen verbunden und selten wirklich klar umrissen. Sie jemandem abzusprechen, ist ein Affront, und dementsprechend fungiert die Authentizität in Streitigkeiten um Genres, Geschmäcker und Lieblingsbands mitunter als Kampfbegriff. Christoph Jacke plädiert daher dafür, den Schwerpunkt der wissenschaftlichen Untersuchung zu verschieben von der Frage nach der Definition von Authentizität hin zur Beobachtung der jeweiligen Diskutanten und ihrer Argumente (Jacke 2013: 72f.). An eine Beschreibung von Authentizität als ethischem Ideal wagt sich Ralf von Appen:
„Authentizität ist ein ethisches Ideal, das auf den Werten der Ehrlichkeit, der Treue und der Konsequenz basiert, sowohl sich selbst wie auch anderen gegenüber. Bezogen auf zwischenmenschliche Beziehungen bringt es das essentielle Bedürfnis zum Ausdruck, nicht getäuscht und nicht enttäuscht zu werden. Als individual-ethischem Anspruch liegen ihm die Bedürfnisse nach Selbstverwirklichung und individueller Freiheit zugrunde und damit die Wünsche, das eigene Potential ausschöpfen und sich den persönlichen Idealen entsprechend verhalten zu können“ (von Appen 2013: 42).
Vier Dimensionen dieses ethischen Ideals sind von Appen zufolge im Kontext der Musik von Bedeutung (ebd.): Die erste ist die der persönlichen Authentizität, also dem Gelingen, „innere Überzeugungen und äußeres Handeln in Übereinstimmung zu bringen“ (ebd.). Die zweite Dimension ist die sozio-kulturelle Authentizität, der „Anspruch, dass Musiker den Werten ihres Publikums, insbesondere der lokalen oder sozialen Subkultur, aus der sie hervorgegangen sind, treu bleiben“ (ebd.: 43). Die dritte Dimension ist die handwerkliche Authentizität und betrifft „das Bedürfnis, nicht über die Urheberschaft und die handwerklichen Leistungen von Musikern getäuscht zu werden“ (ebd.: 44). Als vierte Dimension nennt von Appen schließlich die emotionale Authentizität, die den ebenfalls romantischen Anspruch erhebt, „dass Musik, die emotional bewegt, ihren Ursprung im persönlichen Leben der Musiker haben soll“ (ebd.: 45). Diese vierte Dimension von Authentizität ist es, die allen anderen voran die Aussagen vieler meiner Interviewpartner aus der Hamburger Open Mic-Community prägt.
Singer-Songwriter, Open Mics und Authentizität
Im Zuge meiner Forschung über die Open Mic-Community in Hamburg spreche ich mit zahlreichen Personen, die regelmäßig Veranstaltungen dieser Art besuchen, über ihre individuellen Beweggründe und darüber, was den Reiz jener Veranstaltungen ausmache. Eine junge Musikerin, damals Anfang bis Mitte 20, die unter dem Künstlernamen Outliner auftritt, äußert hierzu:
„Das ist auch einfach was so Intimes, finde ich, wenn man da hingeht und einfach die Musik, die man selber schreibt, einfach teilt mit diesen Menschen. Und gerade am Anfang hat das ja noch gar keinen kommerziellen Hintergrund und gar keinen Hintergrund von ‚Das muss gefallen‘. Das heißt, die Leute, die da hingehen, das sind authentische Menschen, die halt authentische Songs schreiben“ (Interview Outliner).
Authentizität ist ein Begriff, der sowohl in der Wissenschaft als auch im Szenediskurs bereits vielfach besprochen wurde und wird. Die Empirie zeigt, dass – darauf angesprochen oder von selbst darauf zu sprechen gekommen – die Mehrheit der Personen in meinem Forschungsfeld über eine individuelle Vorstellung von Authentizität verfügt. Da aber solche Vorstellungen vielfach mit Geschmacks- und Sympathiefragen verwoben sind, erscheint die Diskussion dieses nahezu inflationär eingesetzten Begriffs einigen als müßig. Obgleich überstrapaziert, spielt er weiterhin eine Rolle, wie nicht zuletzt das Zitat des Liedermachers Bernd Neuwerk veranschaulicht, das diesem Artikel vorangestellt ist. In meinen Interviews und einigen informellen Gesprächen fällt das Wort immer wieder und irgendwann begann ich daher, meine Interviewpartner aktiv danach zu fragen, welche Rolle Authentizität oder Vorstellungen davon auf Open Mics ihrer Ansicht nach spiele. Eine allgemeingültige Antwort lässt sich aus der Auswertung meines Interviewmaterials nicht ziehen, denn nicht alle Gesprächspartner kamen von selbst auf diesen Punkt zu sprechen und in meinen Leitfaden nahm ich diesen Aspekt erst auf, nachdem mir aufgefallen war, dass der Begriff von Relevanz ist. Eine Tendenz ist dem Material allerdings durchaus zu entnehmen und diese soll hier dargestellt werden.
Das angeführte Zitat von Outliner liefert bereits einige Anhaltspunkte zur Rolle von Authentizitätskonzepten auf Open Mics: Es gehe darum, durch Musik etwas von sich mit anderen zu teilen; das Geteilte bzw. die Musik habe zudem (noch) keinen kommerziellen Hintergrund; die Songs unterlägen dadurch keinem Zwang, gefallen zu müssen, weshalb sie quasi in ihrem natürlichen Zustand seien, ganz genau so, wie sie den Musikern entsprangen. Dass sie hier eine Idealisierung des Open Mic-Formates und seiner Besucher vorgenommen hat, ist der befragten Musikerin durchaus bewusst, hat allerdings auch einen speziellen Hintergrund: Sie selbst hatte zweieinhalb Jahre vor dem Interview ein Album mit einem Produzenten aufgenommen, der ihre Songs in Richtung Verkaufbarkeit arrangiert hatte. Das Ergebnis ließ die Musikerin mit dem Gefühl zurück, ihre Lieder – ursprünglich eine Art authentischer Ausdruck ihrer Person – in gewisser Weise zu Produkten degradiert zu haben.
Die Liedermacherin Feli, die im Rentenalter regelmäßig aufzutreten begann und es seither zu einer gewissen Bekanntheit sowie zum inoffiziellen Titel „Grande Dame der Hamburger Open Mic-Szene“ gebracht hat, wird von vielen meiner Interviewpartner als Beispiel für Authentizität genannt. Von mir darauf angesprochen, freut sie sich und erklärt:
„Ich spiele keine Rolle auf der Bühne. Ich bin da genau so, wie ich immer bin. Und das ist es eigentlich, denke ich, was das ausmacht. Wenn ich was Trauriges sage, dann meine ich das auch so, dann war ich traurig, als ich das gedichtet habe. Und wenn ich Quatsch erzähle, dann ist mir halt quatschig zumute, und dann freuʼ ich mich, wenn das ankommt so bei den Anderen, dass sie auch lachen“ (Interview Feli).
Es geht dementsprechend nicht ausschließlich um den dargebotenen Song, sondern auch um die Person, die selbigen erschaffen hat. Dies deckt sich mit meiner Beobachtung, dass das Spielen von Coverversionen auf Open Mics nicht unumstritten ist: Nur bei wenigen Veranstaltungen ist dies gang und gäbe, bei vielen eher die geduldete Ausnahme und bei einzelnen ist es explizit unerwünscht. Es geht also darum, gleichzeitig Singer und Songwriter zu sein. Die Musiker, die auf Hamburger Open Mics mehrheitlich auftreten, werden häufig mit dem Begriff „Singer-Songwriter“ zusammengefasst, der beinahe ebenso schwammig und grenzenlos verwendet wird, wie derjenige der Authentizität. Eine Definition des Begriffs versuchte Tim Wise:
„Singer-Songwriter is a term used since the 1960s to describe a category of popular musician who composes and performs his or her own songs, typically to acoustic guitar or piano accompaniment, most often as a solo act but also with backing musicians, especially in recordings“ (Wise 2012: 430).
Dementsprechend kann der Begriff Singer-Songwriter kaum als Genre-Definition verwendet werden, sondern beschreibt vor allem die Fokussierung auf zumeist eine Einzelperson, die ihre Lieder sowohl schreibt als auch vorträgt. Authentizität wird, wie u.a. Allan Moore herausstellte, Performances von außen zugeschrieben (vgl. Moore 2002: 210), und gerade bei denjenigen der Singer-Songwriter wird dieser Wert besonders häufig gesucht. Rupert Till schreibt hierzu: „The singer-songwriter genre, or style, is in particular defined by an ability to convince the audience that such self-authenticity is itself authentic. Authenticity is a defining aesthetic of the singer-songwriter genre“ (Till 2016: 296).
Eine Interviewpartnerin, die selbst nicht auftritt, sondern nur gelegentlich zuhört, beschreibt diesen Zusammenhang wie folgt:
„Das ist das, was ich meinte mit ‚authentisch‘: Die Leute, die da singen, die singen authentisch. Die singen wirklich etwas von sich. Der Text ist entweder entstanden in einer Situation, wo es ihnen gut oder schlecht ging. Und nicht nur, dass sie das für sich irgendwie behalten: Sie teilen es mit anderen“ (Interview Ria).
Auch eine qualitative Forschung der Singer-Songwriterin Franziska Günther unter dem Titel Genre-Erwartungen und Authentizitäts-Verständnis von Singer/Songwriter-Rezipienten bestätigt, dass die Hörer vielfach Authentizität in Form von Ehrlichkeit, Ausdruck von persönlichen Inhalten, Nähe in der Publikumsinteraktion sowie Unabhängigkeit von Mainstream und Kommerz von den Musikern erwarten (vgl. Günther 2015: 46ff.). Diese und andere bisherige Forschungen zeigen auf, dass von Seiten vieler Rezipienten eine starke gedankliche Verknüpfung zwischen Singer-Songwritern und Vorstellungen von Authentizität besteht. Im Dokumentarfilm Open Stage Hamburg. Am Anfang war der Song wird der Begriff auch von einigen interviewten Musikern diskutiert als gleichzeitig überstrapaziert und dennoch wichtig (Kubin 2016: 06:04–07:56). Aldredge zufolge, der über Open Mics in New York forschte, werde der kulturelle Glaube an natürliche Authentizität auf diesen Veranstaltungen praktiziert und die Musiker übten sich dort darin, eine solche auszustrahlen (vgl. Aldredge 2016a: 132). In meiner eigenen Forschung kristallisiert sich heraus, dass der spezifische Kontext von Open Mic-Veranstaltungen Vorstellungen von authentischen Musikern und Performances weiter bestärkt und dass sogar dem Format Open Mic eine eigene Form von Authentizität beigemessen wird, auch in Abgrenzung zu anderen Singer-Songwriter-Veranstaltungen.
Das Echte, das Pure, das Ungeschliffene, das Unperfekte
Einer meiner Interviewpartner, Philip vom Duo (bzw. mittlerweile Trio) JaniPhil, betont, man sehe auf solchen Abenden „so viele Arten und Weisen, Musik zu machen“, was seinen Horizont erweitere, seine Vorstellungen hinterfrage, „wie Musik sein soll“, und ihn dadurch inspiriere. Seine Mitmusikerin Janika fügt dem im gemeinsamen Interview hinzu: „Janika: Ja, so die Eigenarten (Philip: Ja!) so zu sehen. Und auf so ʼner Open Stage kann das sein, weil es so pur ist, also das findʼ ich ʼne Qualität! Ich findʼ wirklich, das hat noch sowas Pures!“ (Interview JaniPhil). An späterer Stelle bekräftigt sie ihren Eindruck mit einer weiteren Vokabel: „Janika: Das ist soʼn Abend, der ist noch echt! Da passiert wirklich was Echtes! (Philip, bestätigend: Hm.) Da gehen Menschen mit ihrem Anliegen auf die Bühne und teilen ihr Anliegen (Philip: Und flattern dabei!) mit den Menschen im Raum!“ (ebd.).
Nun stellt sich die Frage, wodurch das „Echte“ und das „Pure“ bestimmt werden und wovon sich diese Eigenschaften abgrenzen. Auf meine Frage hin, was Open Mics für das Publikum interessant mache, wird mehrfach genannt, dass es dabei u.a. darum gehe, auf der Bühne kein fertiges Endprodukt in Form eines durchchoreografierten Auftritts zu bekommen. Als „das Ungeschliffene“, wird diese Eigenschaft bspw. mit sehr positiver Konnotation betitelt. JaniPhil heben das Unperfekte als positive Qualität hervor:
„Janika: Es ist nicht perfekt. (Philip: Ja.) So ʼne Open Mic ist nicht immer perfekt. Und ich glaube – oder ich habʼs selber auch so erlebt, dass es einen Charme hat, dass diese Dinge nicht perfekt sind. […] Dieses Unperfekte, dass das sein darf und dass die Fehler sein dürfen […]. Philip: Ich glaube, es ist auch sehr inspirierend, Leute anzuschauen, die sich trauen zu scheitern“ (ebd.).
„Scheitern“ ist zunächst einmal ein sehr negativ behaftetes Wort und andere Interviewpartner hätten an dieser Stelle wohl den Einwand geäußert, dass es ein Scheitern auf Open Stages nicht gebe. Was Philip hier aber meint, ist der Mut dazu, einen Auftritt hinzulegen, der gegebenenfalls den eigenen im Vorfeld entwickelten Erwartungen noch nicht ganz entspricht, wie es vielfach bei ersten Auftritten oder auch beim Ausprobieren neuen Materials, was auf Open Mics in großem Umfang geschieht, passieren kann. Stefan Heitmann, selbst Musiker und seit 2017 Veranstalter der Songwriter Open Stage im Restaurant Brückenstern, betont in einem Interview, dass auf Open Mics nicht das herausgefiltert werde, was „nicht massentauglich“ sei. Dieser Umstand sei ihm zufolge „halt soʼn bisschen der Punkt bei solchen Veranstaltungen“. Zwei Interviews hatte ich mit Heitmann bereits geführt, in denen weder meiner- noch seinerseits das Thema Authentizität angesprochen wurde. Im dritten Gespräch sprach ich ihn schließlich darauf an, dass dieser Begriff in anderen Interviews vielfach gebraucht wurde, und fragte ihn als langjährigen Kenner der Community, was er davon halte. Er gibt den kleinen Rahmen der Open Mic-Veranstaltungen zu bedenken sowie den Umstand, dass alle Künstler gleichzeitig auch Publikum sind, was eine besondere Nähe erzeuge, die es bei Konzerten so zumeist nicht gebe:
„Ich glaube, was vielleicht auch da soʼn bisschen reinspielt bei so Open Mic-Veranstaltungen, ist einfach, dass sie meistens in ʼnem sehr kleinen Rahmen stattfinden, und dadurch hast du auch ʼn sehr direkten, persönlichen Kontakt quasi zu der Person, die auf der Bühne steht. Also es ist nicht, dass irgendwie… der coole Künstler hängt im Backstage ʼrum, kommt einmal nach vorne, lässt sich beklatschen und geht wieder, sondern zum Beispiel bei mir, bei meiner Veranstaltung sind halt alle irgendwie auch Teil des Publikums gleichzeitig und das vermischt sich so. Und da ist für mich Authentizität, glaubʼ ich, soʼn bisschen einfach auch ʼne Nähe, sozusagen. Dass man keine Mauern vor sich aufbaut quasi, sondern dass man sich so als Teil des Ganzen begreift einfach“ (Interview Stefan Heitmann).
Insofern, so betont er später, können die Veranstaltungen selbst mehr oder weniger authentisch sein, je nachdem, wie sehr sie diese Nähe zulassen oder zugunsten von Show-Elementen behindern:
„Ich habʼ Veranstaltungen erlebt, wo irgendwie ʼn Moderator ist, der sehr im Mittelpunkt steht, und wo es eigentlich mehr so um die Show geht und um das Präsentieren der Leute. Und das findʼ ich weniger nah an dem… also auch als Zuschauer findʼ ich das weniger nah an mir dran als wenn das jetzt so ist wie bei mir [auf der Songwriter Open Stage] oder bei euch [auf der Sternbühne Open Mic], wo es halt primär drum geht, dass einfach die verschiedenen Künstler*innen sich nach und nach präsentieren können“ (ebd.).
Das Veranstaltungsformat Open Mic wird demnach vielfach empfunden als eines, bei dem künstlerische Beiträge in einer Art Rohform zu genießen sind, was von seinen Befürwortern als positive Qualität empfunden wird. Bei einer Open Mic sprach ich mit einer Zuhörerin, die dies im Prinzip bestätigte, es allerdings auch kritisch kommentierte: Sie würde diese spezifische Veranstaltung nicht wieder besuchen, da es dort vielen Beiträgen ihrer Ansicht nach an handwerklicher Qualität mangelte, was Unruhe im Publikum begünstigte, wodurch wiederum die Atmosphäre insgesamt anstrengend wurde. Bei anderen Open Mics habe sie das aber auch schon anders erlebt. Was den Eindruck von Authentizität ebenfalls bestärkt, ist, dass je nach Gestaltung der individuellen Veranstaltung keine oder nur eine geringe Kluft zwischen Auftretenden und Publikum besteht und es sich bei dem Format tendenziell weniger um eine Bühnenshow als um eine gemeinsame Aktivität Gleicher handelt. Die Egalität wird durch die zumeist recht streng umgesetzten Regeln hinsichtlich der Länge der einzelnen Auftritte gewährleistet. Helene (Pseudonym), zeitweise eine regelmäßige Zuhörerin auf Open Mics, betont allerdings, dass auch in diesem Setting eine festgelegte, von der Tagesform unabhängige Bühnenpräsenz erforderlich sei, und dass Authentizität nicht bedeute, sich auf der Bühne zu verhalten wie im persönlichen Gespräch:
„Du kannst ja nicht auf ʼner Bühne stehen und einfach so sein, wie du dich grad fühlst und gerade müde sein und schüchtern sein, sondern du musst ja ʼne Bühnenpräsenz haben, ʼne festgelegte Bühnenpräsenz. Und deshalb kannst du ja nicht genauso sein, wie du jetzt sein würdest, wenn du grad mit deiner besten Freundin sprichst. Da bist du auf der Bühne und du musst irgendwas abliefern. Das ist immer Selbstdarstellung, aber das ist auch die… ehrlichste Selbstdarstellung, die es so gibt. Weil du einfach auch vor ʼner kleinen Menge an Leuten stehst, die relativ nah an dir dran sind. Du hast da natürlich auch so ʼne Verantwortung, irgendwie für Stimmung im Raum zu sorgen, sobald du da auf der Bühne stehst. Und da musst du dich ja auf ʼne gewisse Weise verstellen. Ja, und das ist dann auch natürlich individuell abhängig, wie natürlich das bei ʼner Person und wie gezwungen das bei anderen sein muss, damit sie das schaffen“ (Interview Helene).
Dies deckt sich mit meiner Beobachtung hinsichtlich Song-Ankündigungen: Diese geben häufig viel Persönliches über ihre Urheber preis, gewinnen aber gleichsam von Mal zu Mal an Routine und werden Teil einer Performance.
Mode, Mainstream und Kommerzielles
Das „Ungeschliffene“ einiger Auftritte auf den Open Mics wird von einigen Teilnehmern idealisierend als Gegenpol zu Modeerscheinungen oder einem musikalischen Mainstream begriffen. Mode zeichnet sich Thomas Schnierer zufolge durch eine relative Kurzlebigkeit und „durch ein Aufeinanderfolgen vieler Einzelmoden“ aus (Schnierer 1995: 21) wie auch durch eine – wenn auch eingeschränkte – Kollektivität, da von einer Mode erst dann gesprochen wird, wenn eine relativ große Anzahl an Personen ein neues Phänomen mitträgt (ebd.: 23). Mainstream wird im Pop-Diskurs als Differenz zu Subculture oder Underground verstanden (Jacke 2004: 22). Die Differenzen Mainstream/Subculture bzw. Mainstream/Underground „werden seit Entstehen einer mediatisierten Kultur immer wieder für die grundlegende Differenzsetzung wir/die anderen benutzt, und zwar aus der jeweiligen Beobachtungsperspektive unterschiedlich gewichtet und bewertet“ (ebd.). Aus Sicht der Subculture offeriert die Verwendung des Mainstream-Begriffs zumeist eine negative Auslegung, bspw. im Sinne von Vorhersehbarkeit (ebd.). In diesem Sinne äußert sich auch Philip von JaniPhil:
„Philip: Weil auch du in der Welt ja mehr und mehr dominiert bist von so Pop-Musik und so bestimmten Arten und dann gibtʼs immer so Wellen, die dann aufkommen, aber wenn man so in diese Mainstream-Sachen reinhört, pffff, ist auch schnell durch irgendwie so. Du wirst selten überrascht, finde ich. Und ich mag überrascht werden so. Das fand ich sehr wertvoll daran“ (Interview JaniPhil).
Ausprägungen eines dominierenden Mainstreams sind allerdings auf den Open Mics durchaus ebenfalls vertreten, wie ich häufig beobachte und wie auch die folgende Aussage von Naïs verdeutlicht, die die Sternbühne Open Mic im Restaurant Brückenstern moderiert:
„Das finde ich auch teilweise ʼn bisschen schade, das fällt mir eben auch auf bei Open Mics, dass gerade so die Leute, die z.B. von der Hamburg School of Music kommen oder von anderen Musikhochschulen: Es gibt ja immer soʼn Trend, wie Stimmen klingen sollen. Und ich finde, die Stimmen klingen dann immer alle gleich. Also die klingen toll, die haben ʼne super Technik, die beherrschen die Töne, die beherrschen die Dynamik – aber es berührt einen gar – oder es berührt mich nicht, weil da ist nix Uniques… Also da ist irgendwie nicht so richtig was Eigenes und es ist so gefällig irgendwie und… Da bin ich vielleicht zu sehr Berliner [lacht]: ‚Wenn dat zu schön isʼ, dann isʼ dat nix‘. So. [lacht] Ich findʼs immer schön, wennʼs auch soʼn paar Ecken und Kanten und irgendwie was Eigenes [hat]“ (Interview Naïs).
Die Ecken und Kanten, das irgendwie Eigene und das von Normen Abweichende werden mitunter auch verstanden als zum Popstartum im Widerspruch stehend. So erzählt ein weiterer Interviewpartner, ebenfalls Philip heißend, dass er von einem Lied auf einer Open Mic einmal sehr begeistert war, ohne aber eine Chance für die Musiker zu sehen, groß herauszukommen.
„Und ich fand dieses Lied so unglaublich schön, das hat mich so berührt! Und als ich diese beiden Leute auf der Bühne sah, wusste ich: die werden nicht Popstars. […] Ja, die haben einfach so eine Nicht-Popstar-Ausstrahlung, dass sie nicht in irgendʼnen Glamour oder so… aber deren Musik! Fand ich so toll! Ich fandʼ dieses Lied echt krass! […] Wenn man irgendwie Lieder hat von Leuten, die auch als Persönlichkeit strahlen, dann ist es natürlich noch was anderes. Aber die beiden fand ich eher, waren soʼn bisschen… wenn man so will: traurige Figuren. Aber musikalisch hatten sie mich! Ich fandʼ das ganz toll und das, fandʼ ich, war auch total authentisch. […] Bei ʼner anderen Veranstaltung, wo ich sie nochmal gehört hatte, redeten sie davon, dass sie irgendwie ʼne Tour starten wollen und sowas. Und dann dachte man: ‚Ob das mal was wird?‘, aber musikalisch fandʼ ichʼs einfach total schön und total authentisch. Und sowas habʼ ich immer wieder zwischendrin, dass ich Lieder einfach wahnsinnig schön finde und Leute es ganz toll rüberbringen, wo man wirklich merkt: Das ist deren Herzblut, was da gerade drinsteckt und… das ist total toll“ (Interview Philip).
Moden, Trends, Mainstreams, gefällige Sound-Ideale und Glamour werden häufig assoziiert mit dem Aspekt des Kommerziellen, des leicht Konsumier- und Verkaufbaren. Anhand des kommerziellen Aspektes wird gelegentlich auch Kritik an bestimmten Ausprägungen des Singer-Songwritertums geäußert, bspw. von dem Duo Giró & Galá:
„Galá: Ich finde, dass die Open Stages auch ganz stark mit getragen wurden von den Singer-Songwritern. Und dass die Industrie sehr wohl die gesamte Musikrichtung kommerzialisiert hat der Singer-Songwriter. Also das ist schon (Giró: Das fällt ʼn bisschen auf.), das ist schon sehr stark passiert. Auch die Art und Weise, wie musiziert wird (Giró: Stimmt.) und der Schreibstil (Giró: der kommerziell geworden ist), die Art von Poesie, die Art, mit dem deutschen Wort umzugehen“ (Interview Giró & Galá).
Auch sei laut Galá durch Musik- und Werbeindustrie „dieser freiheitliche Aspekt des Zur-Ruhe-Kommens“, welcher ein Bedürfnis befriedige „nach einer gewissen Form von innerem Frieden und Freiheit“ eingefangen und aufgegriffen worden, in Form u.a. von Singer-Songwritern und ihrer Musik. Je nachdem, wie hoch die Interviewpartner die inklusiven, unkommerziellen und freiheitlichen Eigenschaften des Formats wertschätzen, lässt sich – allerdings sehr selten – eine gewisse Befürchtung heraushören, dass Open Mics, die bislang eher geringe Überschneidungen zum kommerziellen Musikmarkt aufweisen, durch diesen vereinnahmt werden könnten. Hierzu äußert Giró:
„Giró: Was ich schade fände, wäre, wenn jetzt die Musikindustrie dieses Format missbraucht für ihre Zwecke. Also wenn man dann sagt: ‚Das ist interessant, hier treffen sich die Leute in dieser Form, dann wollen wir das mal so und so machen, damit das unserem…‘ Das Schöne daran ist ja, dass das dieses anarchistische Freie hat. Dass da keine Wertung drinne ist, dass da jeder probieren kann und dass jeder Fehler machen kann und dass einfach alle hier sozusagen sich ausprobieren wie mit ʼnem ersten Freund oder einer ersten Freundin. […] Alles was so industriell ist, hat immer Sinn und Zweck: Es muss immer irgendwie das Publikum in eine bestimmte Richtung gedrückt werden. Was mir zum Beispiel auch immer ʼn bisschen übel aufstößt, ist, wenn die Leute dann anfangen, ihre – es ist zwar richtig, das so zu machen, aber manchmal hat das sowas Komisches – wenn alle ihre Flyer und ihre Handkarten auslegen und da manchmal so penetrant sind“ (ebd.).
Die erwähnten Flyer und Hand- bzw. Visitenkarten werden auf Open Mics vor allem von denjenigen Personen verteilt und ausgelegt, die mehr oder weniger ausgeprägte Ambitionen hegen, auch größere Konzerte zu spielen, einen Bekanntheitsgrad zu erlangen und irgendwann zumindest ein wenig Geld mit ihrer Kunst zu verdienen – oder die das sogar bereits tun. Diese analogen Werbemittel sind heutzutage natürlich nicht mehr die einzigen, die zum Einsatz kommen.
Social Media, Werbung und Inszenierung
Viel verbreiteter noch als Flyer und Visitenkarten ist der für einige Künstler obligatorische Hinweis auf ihre Social Media-Kanäle. Häufig höre ich im Zuge meiner partizipativen Beobachtung nach einem Auftritt den Ausspruch: „Wenn es euch gefallen hat, dann folgt mir gern auf Instagram!“ Hinsichtlich der Bedeutung von Social Media für die Bewerbung von Open Mic-Veranstaltungen gehen die Ansichten in der Hamburger Community relativ weit auseinander. Worin aber weitgehend Einigkeit besteht, ist die Einschätzung, dass es für aufstrebende Künstler heutzutage ein nicht zu unterschätzender Faktor ist, wo und wie sie auf gewissen Plattformen vertreten sind. Dies sehen einige opportunistisch und eher unkritisch, andere dagegen sehen darin eine negativ zu bewertende Entwicklung, gehen in vielen Fällen dennoch mit, um sich keine Möglichkeiten zu verbauen. An Social Media gibt es viele verbreitete Kritikpunkte – auch seitens der Personen, die sie nutzen. Einer davon ist, dass sie „unauthentische Inszenierungen“ beförderten. Tom Klose, ein Musiker, der aus der Hamburger Open Mic-Community kommt und es schon zu einiger Bekanntheit gebracht hat, drückt dies wie folgt aus:
„Authentizität, das Wort ist so sehr der Inflation zum Opfer gefallen in den letzten zehn Jahren. Ich habʼ das mitbekommen, ich war ja quasi live dabei. Bei mir wurde immer gesagt, ich bin so authentisch. Und am Anfang dachte ich so, ja, ich konnte mich total damit identifizieren mit dem Wort. Und dann habʼ ich irgendwann gemerkt: ‚Ja, gut: Was meinen die Leute denn eigentlich mit ‚authentisch‘?‘ Und die meinen einfach: ‚Ja, du bist du.‘ Und weil das für mich selbst so selbstverständlich ist, finde ich das gar nicht so erwähnenswert. Und weißt du, was ich kritisiere an unserer Zeit, ist, dass es immer erwähnenswerter wird, dass jemand authentisch ist, weil es nicht mehr so selbstverständlich ist. Weil es immer weniger selbstverständlich wird, auch durch TikTok und Co. Ich glaube, wenn irgendeine Plattform gerade dieses… Inszenieren verstärkt bis ins Unermessliche, dieses Oberflächliche halt, dieses Sehen und Gesehen werden, dann ist das TikTok und das ist irgendwie total giftig. […] Das ist, glaubʼ ich, wirklich auch ʼn interessanter Aspekt, wie die Entwicklung ist und dass eigentlich, wenn man so will, heutzutage ʼne Open Stage auch ʼn Statement ist, nämlich… eine Veranstaltung mit der man gegenkontert gegen diese Bewegung, gegen dieses Instagram-ʼFilter drauf, alles ist gut, guckʼ mal, wie ich aussehʼ, guck mal, was ich für ʼne Karre fahrʼ-Ding“ (Interview Tom Klose).
Einer solchen Idealisierung würden sich sicherlich nicht alle Open Mic-Teilnehmer anschließen, so wie ohnehin keine der hier angeführten Aussagen repräsentativ für die heterogene Hamburger Open Mic-Community ist, doch lassen sich solche Aussagen nicht selten vernehmen. Ich selbst, der ich ebenfalls seit geraumer Zeit Open Mic-Veranstaltungen als Musiker besuche und veranstalte, erinnere mich sehr deutlich an einen Moment im Jahr 2018 oder 2019 zurück: Eine Künstlerin hatte gerade einen durchweg runden Auftritt hingelegt, der das Publikum überzeugt hatte. Sie hatte die Bühne bereits verlassen und der darauffolgende Künstler brachte sich schon in Position, als die Künstlerin zur Verwunderung aller doch noch einmal ins Rampenlicht zurückkehrte und ins Mikrofon sagte: „Und folgt mir, wenn ihr wollt, auf Facebook und Instagram! Ihr findet mich da unter…“ In diesem Moment geriet durchaus ein wenig das Bild ins Wanken, das ich von der zuvor stets als durchweg authentisch wahrgenommenen Musikerin hatte. Auch bemerkte ich, dass ich nicht die einzige Person im Publikum war, die ein wenig irritiert auf diese Verhaltensweise reagierte.
Aber nicht nur eine zu aufdringliche Selbstbewerbung auf den Open Mics oder im Internet vermag den Eindruck von Authentizität für einige Zuhörer zu trüben, sondern ebenso ein in einigen Fällen als aufgesetzt und unangemessen empfundenes Herunterspielen der eigenen Fähigkeiten, wie Naïs betont:
„Ich finde das ja auch immer schön, wenn Leute jetzt nicht so super, super gut sind, aber mit dem Herzen dabei. Und die gibtʼs ja auch. Dann lieber jemand, der noch ʼn bisschen unsicher ist. Und du merkst ja auch, ob jemand nur kokettiert und eigentlich das kann, was er da macht, aber so ‚ja, mämämä und ich hab gar nicht geübt und mmmmh, bin gar nicht eingesungen lülülü‘ und so und das aber eben macht, um dann so richtig Bäm! Ne? Und man denkt so: ‚Ja, okay‘ [lacht]. Oder ob jemand wirklich so ganz authentisch aufgeregt ist, weil eben zum ersten oder zweiten Mal auf der Bühne. Und das findʼ ich dann immer charmant, das mag ich. Aber dieses Aufgesetzte… weiß ich nicht, wo man sich dann auch soʼn bisschen manipuliert fühlt oder so – oder ich mich manipuliert fühle – das mag ich nicht so. Und dann isʼ auch schon vorbei, dann isʼ auch scheißegal, wat die machen [lacht]. Dann findʼ ich das doof! [lacht]“ (Interview Naïs)
Auch bei der Ablehnung dieser Verhaltensweise geht es um Ehrlichkeit dem Publikum gegenüber, die einer Form von Show und verzerrender Selbstinszenierung vorgezogen wird.
Trotz vielfacher Idealisierungen von Open Mics als einem Format, auf dem Authentizität zu finden sei, zeigt sich, dass es vielen Musikern letztendlich nicht ausreicht, ausschließlich auf solchen offenen und niedrigschwelligen Bühnen aufzutreten.
Open Mics zugunsten „richtiger Gigs“ überwinden?
Festzustellen ist, dass mit dem Veranstaltungsformat Open Mic bestimmte Vorstellungen von Authentizität assoziiert werden, häufig in Abgrenzung zum Kommerziellen, zum Schnelllebigen, zum Modernen.[3] In einer für die Hamburger Open Mic-Szene sehr bedeutenden Musikbar, dem Brückenstern, wurde eines Tages an einer Wand gut sichtbar eine grelle digitale Werbetafel angebracht, die – bis sie schließlich wieder entfernt wurde – das am meisten abgelehnte Objekt in dieser Location war, die sonst durchweg als gemütlich wahrgenommen und durchaus schon von einigen Musikern als „zweites Wohnzimmer“ beschrieben wird. Von Appen formuliert den Zusammenhang zwischen Erscheinungen unserer Zeit und dem Bedürfnis nach Authentizität wie folgt:
„Ohne Zweifel kommt in der ubiquitären Suche nach Authentizität ein zentrales Bedürfnis unserer Zeit zum Ausdruck. Das gestiegene Verlangen nach Echtem, Natürlichem, Unmittelbarem, Glaubwürdigem wird oft mit dem Verweis auf tief greifende gesellschaftliche, ökonomische und technologische Veränderungsprozesse zu erklären versucht, die mit dem schwammigen Etikett der Postmoderne eher hilflos und unscharf als tatsächlich erhellend zusammengefasst werden. […] Seit der Erfindung von realitätsnahen audiovisuellen Aufzeichnungs- und Übertragungsmedien, insbesondere aber seit der flächendeckenden Verbreitung des Internets ist unser Weltverhältnis von zunehmender Medialisierung und Virtualität geprägt. Der Wunsch nach Liveness, handwerklicher und emotionaler Authentizität ist eine Reaktion auf diese Entwicklung. Er wächst mit der Seltenheit, mit der unmittelbare Erfahrungen heute überhaupt noch gemacht werden können. Bezeichnend ist, dass ausgerechnet Fernsehen und Internet als Symbole dieser Entwicklung uns gegenwärtig die größte Authentizität versprechen, das Live-dabei-Sein, das Besonders-nah-dran-Sein, den voyeuristischen Blick hinter die Kulissen. Mit der Zunahme solcher Prozesse wird es nicht nur schwieriger, sondern annähernd unmöglich, noch ‚Echtes‘ zu finden. Wer heute zeigen will, dass er etwas Authentisches anzubieten hat, der muss es mit großem Aufwand medial inszenieren, damit er überhaupt wahrgenommen wird“ (von Appen 2013: 63, 65).
Damit macht von Appen auf ein Dilemma aufmerksam: Natürlich könnten sich die Musiker in ihrem Schaffen all dem entziehen, was als „nicht echt“ oder zu kommerziell und unauthentisch empfunden wird – und viele tun dies sogar, nur sind das hauptsächlich diejenigen, die die Musik rein als Hobby betreiben. Bei den anderen dagegen gibt es noch stärker das Bedürfnis, sich öffentlich zu zeigen, um einige selbstgesteckte Ziele zu erreichen oder mit ihrer Kunst einfach so weit zu kommen, wie es irgendwie geht. Dieses Bedürfnis kann den eigenen Vorstellungen von Authentizität zuwiderlaufen und entweder eine Entscheidung oder einen Kompromiss erfordern. Ich will nicht verhehlen, dass ich selbst mir kürzlich einen Instagram-Account zulegte – und zwar weil ich durch meine letztjährigen Auftritte auf Open Mic-Veranstaltungen sowie dort erhaltene Rückmeldungen mehr und mehr das Gefühl bekam, dass ich doch noch über dieses niedrigschwellige Format hinaus musikalische Erfolge erzielen könnte, dafür aber diese Werbeplattform bräuchte.
Uneinig sind sich meine Interviewpartner darüber, ob Auftritte auf Open Mics für sie „richtige Gigs“ seien. Für einige blieben sie immer richtige Gigs, für andere seien sie dies nur in einer bestimmten Schaffensperiode. Ob man Open Mic-Slots nun als vollwertige Auftritte sieht oder nicht: Sie bringen per se gewisse Einschränkungen mit sich, ohne die sie nicht so niedrigschwellig und anfängerfreundlich wären, die aber für viele Musiker mit der Zeit eher nachteilig erscheinen und die sie zu überwinden gedenken. So sind Auftritte auf Open Mics unbezahlt, sie bieten nicht den Raum, ganze Sets zu spielen, und sie finden zumeist unter sehr einfachen technischen Voraussetzungen statt. So hoch viele Musiker dieses Format auch beispielsweise aufgrund einer empfundenen Purheit loben, ist vielen von ihnen doch klar, dass sie nicht ewig ausschließlich unter diesen Voraussetzungen musizieren möchten. Hinsichtlich der Authentizität kann dies der bereits erwähnten Singer-Songwriterin Outliner zufolge allerdings eine Art kritische Phase sein:
„Man kann auch professionell sein und authentisch. Und man kann sich auch selber vermarkten und Geld verdienen und trotzdem authentisch bleiben. Aber ich glaube, in der Sekunde, wo man drüber nachdenkt: ‚Wie kann ich mehr Leute erreichen? Was kann ich an mir verändern, um mehr Leute zu erreichen?‘ Ich glaube, in dem Moment geht halt die Authentizität verloren und das passiert sehr schnell, wenn man quasi aus den Open Stages ‚rauswächst‘, sag ich mal. ‚Wie schaffʼ ichʼs, dass viele Leute zu meinem Konzert kommen? Wie schaffʼ ichʼs, mich gut zu vermarkten? Wie schaffʼ ichʼs, dass Leute meine CD kaufen?‘ Anstatt dass man sich fragt: ‚Was will ich machen? Und es ist mir egal, wie es dann ankommt.‘… Die Leute, die halt einfach nur auf die Open Stage gehen, um da zu spielen, die haben halt nichts zu verlieren in dem Sinne. Weil da steht dann kein Label hinter, das sauer wird, wenn die Zahlen nicht stimmen oder sowas. Oder die müssen davon nicht leben. […] Man kann auch authentisch sein und Geld verdienen und sich selber vermarkten, aber es ist halt schwer. Und es passiert so leicht, dass man da halt dann rausrutscht“ (Interview Outliner).
In der Tendenz stimmen dieser Einschätzung zahlreiche Personen zu, denen ich davon erzählte, doch erscheint einigen die Idealisierung des Unkommerziellen zu stark. So gibt Heitmann zu bedenken, dass dies polemisiert bedeuten würde, „dass gute Kunst nur die ist, die keiner mitbekommt“, dass es aber natürlich immer ein schmaler Grat sei zu überlegen: „Machʼ ich das jetzt, weil ich das möchte oder weil ich glaube, dass das Publikum das hören will?“ Als alternative Leitfrage schlägt er daher vor: „Wie würde ich quasi mich selber als Künstler richtig cool finden?“ (Interview Stefan Heitmann)
Fazit und Ausblick
Festzuhalten ist abschließend, dass Open Mics für viele ihrer regelmäßigen Gäste einen Raum besonderer künstlerischer Freiheit und Authentizität darstellen. Dies wird dadurch begründet, dass bei Veranstaltungen dieses Formates in den meisten Fällen nicht im Vorfeld gefiltert wird, wer auftreten darf, sprich: wessen Musik es wert ist, aufgeführt zu werden. Dieser Umstand vermittelt den Eindruck einer gewissen Purheit, die idealisierend als Gegenpol zum kommerziellen, auf Moden und Mainstream gründenden Musikmarkt verstanden wird. Zu trennen sind diese nur scheinbar parallelen Welten jedoch nicht, denn aktuell vorherrschende Sound-Ideale spiegeln sich auch in einigen Auftritten auf Open Mic-Veranstaltungen wider. Auch mit der Welt der Sozialen Medien, welche aufgrund ihrer Förderung von Selbstinszenierung vielfach kritisch gesehen werden, gibt es Überschneidungen, da insbesondere Instagram als Werbeplattform für aufstrebende Musiker als mehr oder weniger unverzichtbar angesehen wird. Trotz vielfacher Idealisierung der Open Mics stellt das Format – je nach den persönlichen Ambitionen – für die dort Auftretenden eine Zwischenstation dar, die aufgrund der sie definierenden Rahmenbedingungen ab einem gewissen Punkt in der künstlerischen Laufbahn überwunden werden muss. Die Bestrebungen, zu größeren Konzerten und mehr Popularität zu kommen, werden von einigen Akteuren behaftet gesehen mit der Gefahr eines Verlustes der an den niedrigschwelligen Open Mics geschätzten Authentizität.
Ein Themenfeld, welches mit Authentizitätskonzepten ebenfalls verwoben ist, in diesem Artikel aber nicht ausführlich behandelt wurde, ist der Stellenwert von Coverversionen auf Open Mic-Veranstaltungen. Der Anspruch emotionaler Authentizität kann durchaus so weit gehen, einzufordern, dass das gespielte Stück eine Eigenkomposition aus der Feder und dem Herzen der Person auf der Bühne ist. Nicht umsonst trägt die bestbesuchte Open Mic-Veranstaltung Hamburgs einen Titel, der bereits einen grundlegenden Aspekt ihres Regelwerks betont: Bring Your Own Song Night.
Biographische Informationen
Alexander Frederik Reuter studierte in Bremen Kulturwissenschaft. Aus Perspektive der Erzählforschung setzte er sich mit Sagenerzählungen aus seinem Geburtsort auseinander und veröffentlichte Arbeiten über den „Pestschinken von Friesoythe“ sowie über einen vermeintlichen Spukseher und die ihm nachgesagten Voraussagen. Aktuell promoviert Reuter als Stipendiat der Universität Paderborn im Bereich Populäre Musik und Medien mit einer ethnografischen Arbeit über das Hamburger Open Mic-Netzwerk als niedrigeschwelligem Bühnenzugang und Plattform kreativen Austauschs. Als Liedermacher und Co-Organisator der Sternbühne Open Mic ist er Teil seines Forschungsfeldes. Kontakt: a.reuter(a)tutanota.de
Anmerkungen
[1] Dieser Artikel lehnt sich an an erste Teilergebnisse meines Dissertationsprojektes mit dem Arbeitstitel Das Hamburger Open Mic-Netzwerk als niedrigschwelliger Bühnenzugang und Plattform kreativen Austauschs für Musikschaffende.
[2] Ich verwende das sogenannte generische Maskulinum, meine damit aber Personen jeglichen Geschlechts. Die geschlechtliche Vielfalt des Forschungsfeldes spiegelt sich in der Auswahl der in diesem Artikel zitierten Interviewpartner wider (6w, 5m, 1d).
[3] Dies ist nebenbei bemerkt nicht nur in der Hamburger Community der Fall. Es ist kein Zufall, dass ein bestimmter Musikstil bzw. eine bestimmte Musikattitüde, welche ebenfalls mit ausgeprägten Vorstellungen von Authentizität verbunden ist, ihren Ursprung in einer Open Mic-Szene hatte: nämlich der sogenannte Anti-Folk, der in New York in Abgrenzung zur als zu glatt empfundenen Folk-Musik entstanden ist (vgl. Büsser 2005).
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Interviews
Feli (28.2.2022). Leitfadengestütztes Interview. Hamburg.
Giró & Galá (10.2.2022). Leitfadengestütztes Interview. Online via Zoom.
Heitmann, Stefan (9.10.2022). Leitfadengestütztes Interview. Hamburg.
Helene (Pseudonym) (13.1.2022). Leitfadengestütztes Interview. Online via Zoom.
Janika und Philip von JaniPhil (7.3.2022). Leitfadengestütztes Interview. Online via Zoom.
Klose, Tom (19.2.2022). Leitfadengestütztes Interview. Hamburg.
Naïs (28.3.2022). Leitfadengestütztes Interview. Online via Zoom.
Outliner (8.12.2020). Leitfadengestütztes Interview. Hamburg.
Philip (28.4.2021). Leitfadengestütztes Interview. Online via Zoom.
Ria (4.11.2021). Leitfadengestütztes Interview. Hamburg.
Zitiervorschlag
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Cover Picture: „Fast fertiger Bühnenaufbau für die Sternbühne Open Mic im Restaurant Brückenstern, Hamburg“. © Alexander Frederik Reuter.