Using the examples of three recent songs (and the discourses surrounding them) from Germany and the UK – DJ Robin & Schürze’s „Layla“, Frank White and Bass Sultan Hengzt’s „Cancel Culture Nightmare“ and FKA Twigs’s „Don’t Judge Me“ – this chapter investigates how pop musicians comment upon and contribute to discussions of today’s cultural and sociopolitical „cleavages“ with implicit or explicit statements about the role that morality should play in popular entertainment and politics. It argues that contemporary pop culture is characterized by a tension between the habitual anti-moralism of informal life and a critical politicization of the seemingly private and mundane. Situating these matters within a neo-Gramscian „war of position,“ this chapter shows that the often-described opposition between anti-moralists and moralizers is too simplistic. Rather, we find different types of pop-cultural anti-moralism implying different ethical and political positions with radically different consequences: The traditionalist (often hedonistic, sometimes sociological and self-described „realist“) variant opposes critique and interventions based on „universalistic“ morality, ethics or politics, whereas the anti-traditionalist (antiracist, feminist) version detects and scandalizes sedimented moral normativity. Both forms of anti-moralism share traits and have specific ambiguities, as this analysis shows, but they contribute to different hegemonic projects and draw different „frontier“ lines (Laclau). On a conceptual level, this chapter shows that the notion of the popular (in its different German translations as popular and populär) is indispensable because it contains the tensions that come to the fore in conflictual cultural negotiations like these.
Einleitung: Parallelgesellschaften und das Populäre
Dieser Beitrag untersucht anhand einiger aktueller Popsongs verschiedene – heruntergebrochen: zwei – Verständnisse aktueller gesellschaftlicher Spaltungen, die sich auf je eigene Weise durch Bezüge auf das Populäre konstituieren. Den Ausführungen liegen zwei Ausgangshypothesen zugrunde. Die erste lautet, dass die Unterscheidung zwischen Popularkultur, Populärkultur und Popkultur, also von drei möglichen Übersetzungen von „popular culture“, nicht nur für den fachlichen Zusammenhang der Popular Music Studies relevant ist, sondern auch für die ‚Kulturkämpfe‘ unserer Zeit. Was das heißt, werde ich im ersten Teil dieses Beitrags unter der Überschrift „Spaltungsdiagnosen“ erörtern. Die zweite Ausgangshypothese besagt, dass Thematisierungen des richtigen Maßes und der richtigen Art von Moral, und des falschen Maßes und der falschen Art, also von ‚Moralisierungen‘ und von ‚Moralismen‘, einen besonders geeigneten Zugang bieten, um nicht nur Parallelen, sondern auch sachliche Zusammenhänge zwischen ‚Spaltungen‘ der Gesellschaft – bzw. spezifischen Milieus und politischen Lagern innerhalb derselben – und ‚Spaltungen‘ der popular culture herauszuarbeiten. Diesen Komplex thematisiere ich im zweiten Teil des Beitrags – anhand von drei Song-Beispielen – unter der Überschrift „Moralisierungskritiken“.
Es gibt verschiedene Versuche, die Spannung, die zwischen den genannten Bedeutungsdimensionen von popular culture besteht, in die eine oder andere Richtung aufzulösen (vgl. Jablonowski/Elster 2022). So haben Niels Penke und Matthias Schaffrick in ihrem kleinen Einführungsband Populäre Kulturen (2018) diesen Gegenstand quantitativ bestimmt: Populäre Kulturen seien solche, die von besonders vielen Leuten „beachtet“ (ebd.: 10) und auch in diesem Sinn, also als beliebt und verbreitet, thematisiert würden. Auf diesem definitorischen Wege werde „die Populärkultur von den wertenden, zumeist abwertenden Vorannahmen befreit, die sie seit jeher begleiten“ (ebd.: 11) – und die sie an Abgrenzungen gegenüber Volks- oder Hochkultur koppelten. Demgegenüber – oder auch parallel dazu – steht ein Zugang, den ich mit dem Kulturwissenschaftler Bernd Jürgen Warneken verbinde. In seinen Schriften zur Ethnographie popularer Kulturen ist programmatisch, wie es der Titel bereits besagt, vor allem von popularer Kultur die Rede: „Den Terminus ‚popular‘“, so Warneken, „verwende ich synonym mit ‚unterschichtlich‘; was in verschiedenen sozialen Schichten massenhaft verbreitet ist, nenne ich ‚populär‘; was in den Unterschichten produziert und rezipiert wird, nenne ich ‚popular‘“ (Warneken 2006: 10). „Unterschichten“ stehen bei Warneken für
„die sozialen Gruppen, die im Englischen als lower classes und im Französischen als classes populaires bezeichnet werden. Bei ihnen kommen mehrere (aber nicht immer sämtliche) der folgenden Merkmale zusammen: abhängige Arbeit, geringer Besitz, geringe Bildung, z.T. (etwa bei Migranten) auch rechtliche Unterprivilegierung“ (ebd.: 9).
Warneken führt also eine sozialstrukturell verankerte Differenz zwischen dem Populären und dem Popularen ein. Über terminologische Details und das Wort ‚Unterschicht‘ mag man sich streiten, die Begriffsbestimmung verweist jedenfalls systematisch auf soziale Reibungen, Widersprüche, Ungleichheiten und Kämpfe.[1] Eine weitere Begriffstradition bestimmt „the popular“ – ob nun im Sinne des Populären oder Popularen – als per se konflikthaft (vgl. Laclau 2005), leitet diese Konflikthaftigkeit aber nicht sozialstrukturell her, sondern diskurstheoretisch und (de)konstruktivistisch. Damit geraten dann vor allem Strategien, die leeren Signifikanten des Populären und Popularen provisorisch inhaltlich zu füllen und durch symbolische Grenzziehungen z.B. von einer ‚Elite‘ abzugrenzen, in den Fokus des analytischen Interesses, wissenschaftlich und politisch gleichermaßen.[2]
Die Definitionen, die Penke und Schaffrick für das Populäre der Populärkultur bieten, und diejenige, die Warneken für das Populare in Anschlag bringt, sind in gewisser Weise komplementär – und in diesem Sinn auch kompatibel. Sie haben aber nicht sonderlich viel miteinander zu tun. Damit ginge eine klare, auch disziplinäre Trennung einher, in der man sich gut einrichten kann – was in der Welt der Popular- und Populärkulturforschung durchaus auch geschieht, wenn z.B. die Empirische Kulturwissenschaft/Europäische Ethnologie, die sich u.a. auf Warneken beruft, tendenziell die Alltags-, aber nicht die Popkultur untersucht, oder wenn eine medienfokussierte Popforschung das Soziale nur mehr als Platzhalter thematisiert. Diese Trennung erzeugt aus zwei Gründen dennoch ein Unbehagen. Der erste ist, dass ich weiterhin Raymond Williamsʼ Formulierungen im Ohr habe, der bekanntermaßen drei verschiedene Kulturbegriffe unterschieden hat: Kultur als „Ideal“, den „dokumentarischen“ Kulturbegriff und den „gesellschaftlichen“ bzw. ethnologischen (Williams 1961). Die eigentliche Aufgabe der Cultural Studies sah er darin, die Beziehungen zwischen diesen Bereichen zu untersuchen: „it is the relations between them that should claim our attention“ (ebd.: 43). Darin besteht meines Erachtens weiterhin eine zentrale Aufgabe einer kritischen kulturwissenschaftlichen Pop-Forschung, was aber eine Fokussierung auf mögliche Zusammenhänge zwischen sozialen Verhältnissen, Gruppen- und Identitätsbildungsprozessen und ästhetischen (und anderen kulturellen) Formen erfordert. Zweitens werfen sowohl Künstler*innen der Popkultur als auch Akteur*innen des politischen Populismus immer wieder neu die Frage nach den Verknüpfungen zwischen dem Popularen und dem Populären auf, indem sie das Volk, das Gewöhnliche, die ‚kleinen Leute‘ oder auch nur ‚meine Leute‘ und ähnliches beschwören; auf ihre Weise tun jene, die Pop als Welt der Vielfalt, der ‚Straße‘ oder der kosmopolitischen Hipness thematisieren, ähnliches.[3] Dadurch gewinnt die Frage nach den Strategien, wie solche Platzhalterbegriffe inhaltlich definiert werden, wie sie im Sinn spezifischer politischer Projekte bestimmt werden und wie damit in einer gewissermaßen unreinen, affektiven wie diskursiv-semiotischen Sphäre auch Allianzen und konstitutive Abgrenzungen entstehen, immer wieder neu an Aktualität.
Spaltungsdiagnosen
Das gilt auch und gerade in der gegenwärtigen Konjunktur/Konstellation, in der seit einigen Jahren Spaltungsdiagnosen die politischen Zeitdiagnostik dominieren (vgl. Wietschorke 2020). Der politikwissenschaftliche Cleavage-Begriff, der diesem Diskurs zugrunde liegt, verweist auf Lagerbildung und Polarisierung, vor allem bei Wahlen, die als strukturell verankerte, langfristige Spaltung der Bevölkerung zu verstehen ist, welche sich nicht nur im Wahlverhalten abbildet, sondern auch in generellen kulturellen Orientierungen, in Selbst- und Fremdbildern. Inwiefern die verbreiteten Diagnosen einer sich zuspitzenden, so verstandenen gesellschaftlichen Polarisierung in verschiedenen Ländern und politischen Systemen tatsächlich zutreffen, wird in den entsprechenden Disziplinen differenziert und zunehmend empirisch diskutiert (vgl. z.B. Lux/Mau/Jacobi 2022). Populäre Versionen solcher Diagnosen, wie die Rede von der Spaltung der Gesellschaft in Kosmopolit*innen und Kommunitarist*innen (Merkel 2017; Goodhart 2017), stehen empirisch auf wackligen Füßen, haben aber vielfach Eingang in Selbstbeschreibungen gewonnen. Die vermeintliche Gruppe der Kommunitarist*innen umfasst diesen Diskursen zufolge jedenfalls erhebliche Teile jener sozialen Schichten, die Warneken als die popularen beschreibt (vgl. Ege 2023), verbindet sich aber auch mit kulturkonservativen Oberschichtsfraktionen (vgl. Reckwitz 2017: Kap. 5).
Für die Poptheorie und -geschichte wiederum ist eine andere Spaltungsdiagnose geradezu konstitutiv: Diedrich Diederichsen versteht Pop-Musik und in der Folge auch Pop-Kultur bekanntermaßen als eine Abspaltung von der populären Kultur der 1950er Jahre, aus der dann ein immer reflexiver werdendes popkulturelles Universum hervorgeht (Diederichsen 2014: XIIIff.). In Julio Mendívils Schlager-Studie war es die Beat-, Pop- und Rockwelt, die sich von der deutschsprachigen Populärmusik abspaltete, woraufhin die Schlagerwelt eine überprägnant-kontrastscharfe Abgrenzung vornahm (Mendívil 2008: 182-233). So lässt sich die Geschichte der Popkultur als eine Geschichte immer weiterer Abspaltungen erzählen.
Haben diese Spaltungsdiagnosen, die sozialwissenschaftliche und die popkulturbezogene, etwas miteinander zu tun? Dass es Verbindungen geben könnte, ist kein neuer Gedanke, entsprechende Polarisierungsthesen hatte zum Beispiel der Musikkritiker Jens Balzer vor einigen Jahren in seinem Populismusbuch formuliert (Balzer 2019). Auch durch die Soziologie der sozialen Milieus geistern Annahmen über kulturelle Homologien, in denen die politischen Spaltungslinien dann z.B. mit denen des Musikgeschmacks zusammenzufallen scheinen: Zugespitzt gesagt: eine popular-kommunitaristische Welt der heimatseligen Populärkultur auf der einen, eine avanciert-kosmopolitische Pop-Welt auf der anderen Seite, die sich gegen heimatselige Spießer und ihre Retrotopien wendet. Also nicht nur: „the people versus the power bloc“ (Fiske 1999 [1989]), sondern möglicherweise auch: „Pop versus the people“.
Moralisierungskritiken
Was hat das nun mit Moral und mit Moralisierungen zu tun? Zum Populismus und auch zu vielen (spaltungstheoretisch fundierten) Populismuserklärungen gehört die Moralisierungskritik: die These, Moral sei gewissermaßen ein Mittel- und Oberschichtshobby, die informelle, populare Welt sei dagegen geprägt von einer geradezu instinktiven Abneigung gegen zu viel Moral. Bei Autor*innen wie der Soziologin Cornelia Koppetsch war zu lesen, der moralisierende Ton linker und insbesondere links-intellektueller Kreise habe ‚die Leute‘ den Rechten in die Hände getrieben (Koppetsch 2019).
Gegen einfache kausale Reaktanzthesen dieser Art ist Skepsis angebracht. Aber auch wenn die Zusammenhänge nicht so direkt verlaufen, sind Zeitdiagnosen von Autor*innen wie Wendy Brown (2001) oder Lawrence Grossberg durchaus plausibel, die eine „uncertainty about the lines between morality and politics“ (Grossberg 2018: 41) als charakteristisch für die Gegenwart und ihre „moral landscapes“ (Rabinow 2008) ansehen. Viele von uns wissen weniger denn je, oder wir sind uns nicht einig, wo solche Trennlinien verlaufen und wo sie verlaufen sollten. In den heutigen USA sei, so schrieb Grossberg 2018, eine Neigung der liberalen Linken zu konstatieren, sich über „an ethics without a politics“ (Grossberg 2018: 127) zu definieren, über Regeln für die richtige Lebensführung, Gebote und Verbote, bei gleichzeitiger Harmlosigkeit in den Niederungen der politischen Auseinandersetzung, wobei diese Tendenz zur Moralisierung des Politischen eine ehrbare Geschichte hat und auf die Politisierung des Alltagslebens seit den 1960er Jahren zurückgeht, was weitere Fragen aufwirft.[4] Auf der politischen Rechten wiederum werde einmal mehr die Rückkehr zur traditionellen Moral gepredigt. Die „traditionellen“ Lebensweisen, die dort als moralisch verteidigt werden, sind aber kurz gesagt genau diejenigen, die die Moralisierung des Politischen auf der progressive left problematisiert, vor allem in geschlechter- und sexualitätspolitischer Hinsicht. Unter jüngeren und meist weniger religiös geprägten kulturkämpferischen Rechten scheint das Ziel wiederum darin zu bestehen, Chaos zu erzeugen und sich Nietzscheanisch-übermenschenhaft um Moral ganz dezidiert nicht zu scheren: „If this is the new figure of politics, it is a politics without an ethics“ (Grossberg 2018: 127; vgl. auch Strick 2021).
Grossberg hat damit eine dezidiert US-amerikanische Conjunctural Analysis verfasst; ihre Übertragbarkeit und auch die neuere Entwicklung bliebe sicherlich genauer zu durchdenken, auch konnte sie hier nur skizzenhaft zusammengefasst werden. Dennoch kann diese Skizze – gerade angesichts transnationaler Diskursverflechtungen, auch in den sozialen Netzwerken – eine heuristische Orientierung im Feld der Moralisierungen und Moralisierungskritiken und ihrer Verknüpfungen mit kulturell-politischen Spaltungen geben. In der deutschsprachigen feuilletonistischen Literatur der letzten Jahre finden sich jedenfalls viele Beiträge, die in ähnlicher Weise, wie Grossberg es beobachtet, das ‚richtige‘ Maß von Moral und den korrekten Grenzverlauf zu Politik oder Kunst zu bestimmen versuchen (vgl. z.B. Rauterberg 2015; Stegemann 2018; Palmer 2019) und damit milieusoziologische Spekulationen verbinden (vgl. zusammenfassend und polemisch Albig 2022). Allerdings wären die Überlegungen hier mindestens um zwei Punkte zu ergänzen. Zum einen müsste das Links-Rechts-Schema erweitert werden – sowohl angesichts verschiedener Fraktionen dieser politischen Formationen, die das Moralische bzw. auch Ethische anders konzipieren und sich in jeweils eigener Weise dazu verhalten, als auch angesichts neo-kommunitaristischer Querfront-Tendenzen (‚weder rechts noch links‘), für die – wie bei Sahra Wagenknecht (2021) – die Kritik von ‚Moralisierungen‘ und deren Trägermilieus eine wichtige Rolle spielt. Zum anderen bleibt nachzufragen, inwiefern hier (phänomenologisch und typologisch) divergierende Formen von Moral(ismus)kritik unterschieden werden können, die auf je eigene Genealogien verweisen und ethisch-politisch in verschiedene Richtungen weisen.[5]
Im Folgenden werde ich mit einigen Schlaglichtern beleuchten, wie diese Problematik (vermeintlich) übermäßiger Moralisierung in aktueller Pop(ulär)musik und in ihrem Umfeld verhandelt wird; dabei werde ich verschiedene Typen der Moralismus-Kritik und ihre Verknüpfungen mit Verständnissen des bzw. mit Fantasien vom Populären und Popularen (the popular) herausarbeiten. Von Anfang an gibt es einige Eigenheiten dieses ästhetisch-kulturellen Felds zu bedenken, so heterogen es auch ist. Diese Eigenheiten lassen sich als Spannungsfeld beschreiben: Im Unterschied zum Feuilleton oder zur Welt der Stadt- und Staatstheater sind Pop- und Populärmusik zum einen – zumindest in vielen Fällen – von einer Logik der informellen (Alltags-)Kultur geprägt, in der ‚übermäßig‘ moralische Haltungen fehl am Platz wirken. Oder, wie es bei Deichkind heißt:
„Ich dekoriere besoffene Freunde/Ist zwar gemein aber (leider geil)/Schlecht für den Nachwuchs/schlecht für die Nordsee/schlecht für den Kopf (doch leider geil)/Schlecht für dein Karma/Schlecht für die Zukunft/Schlecht für den Job (doch leider geil)/Tu doch nicht so/Du magst es doch auch/Ich bin ein Teil von dir/Guck dich doch um/Sieh sie dir an/Sie sind genauso wie wir“ (Deichkind 2012).
„Ich bin ein Teil von dir“; „Sie sind genauso wie wir“ – die Ansprache ist komplizenhaft. Auf den „Befehl von ganz unten“ zu hören, hat etwas Vergemeinschaftendes, es schafft vielleicht sogar ein popular-populäres Kollektiv der unvernünftigen Hedonist*innen: Wer sich und die eigenen Begierden für etwas Besseres hält, wird eines Besseren belehrt. Songs wie diese – und hier ließe sich nicht nur auf die Lyrics eingehen, sondern auch auf musikalische Effekte (‚billig‘), auf Performances und das Musikvideo (Leitmotiv: Schadenfreude) – machen eine Skepsis gegenüber moralischen Zumutungen explizit. Diese Skepsis schwingt in der Popkultur häufig mit, deren Befreiungsversprechen oft auch ein Versprechen der Befreiung von der Über-Ich-Kontrolle war und ist – was Deichkind, in den 2010er Jahren, jedoch auch als Begehren wider besseres Wissen beschreiben („leider“); eine Affirmation ohne jede Ambivalenz würde auch wieder anders klingen.
Denn – und das ist der zweite Pol des Spannungsverhältnisses – andererseits ist die Popkultur mit ihren Fandoms auch ein hochgradig moralischer Raum, der praktisch immer wieder neu moralisiert und politisiert wird, wie zuletzt Eve Ng in ihrem Buchessay Cancel Culture. A Critical Analysis (2022) gezeigt hat, ein Raum, in dem progressive Werte propagiert werden, aber auch moralische Vergehen debattiert und geahndet. Das ist nicht erst seit gestern so, hat in den letzten Jahren aber an Dynamik und Hitzigkeit gewonnen, vor allem in den Arenen der sozialen Medien – im Kontext von politischen, oft identitätsbasierten Bewegungen, die mit neuer Dringlichkeit fordern, Ungerechtigkeiten zu beheben, und zwar hier und jetzt (Milkman 2017) Damit werden politisch-öffentliche Fragen aufgeworfen, aber auch sehr private, persönliche (nach den Bedingungen von Anerkennung zum Beispiel), gelegentlich religiöse. Die direkten und indirekten Thematisierungen von ‚Cancel Culture‘ auf Kendrick Lamars letztem Album Mr. Morale and the Big Steppers (2022) illustrieren gerade diese persönliche Dimension.
Die folgenden Beispiele, auf die ich etwas genauer eingehe – „Layla“ von DJ Robin & Schürze (2022), „Cancel Culture Nightmare“ von Frank White (also Fler) und Bass Sultan Hengzt (2022) sowie „Don’t Judge Me“ von FKA Twigs feat. Headie One and Fred Again (2021) – habe ich ausgewählt, weil sie – als Songs und über Paratexte – besonders unterschiedliche Moral- und Moralismus-Kritiken vorbringen.[6] Von Interesse sind im Folgenden also Moralreferenzen und Moralkritiken sowie die Verknüpfungen, die über das semantische Scharnier der Moralisierungskritik zwischen dem Popularen und dem Populären entstehen. Wie bewegen sich Popsongs und Popmusiker*innen durch das Spannungsfeld von Moralisierungen und antimoralistischen Haltungen?
Layla
Um diesen Fragen nachzugehen, kommen wir nicht am Aufregerthema des Sommers 2022 vorbei, dem ‚Partyschlager‘ über die „Puffmama“ Layla von DJ Robin und Schürze. Das Lied, veröffentlicht Ende März, wurde im Sommer zum Nummer-eins-Hit, was Diskussionen über den Sexismus des Textes in Gang setzte. In der Bierzelt-Saison im Juli war es zuerst die Stadt Würzburg, deren Handeln eine Diskussion über Verbote, Bevormundung und Freiheit befeuerte. Der Gemeinderat hatte im Jahr zuvor einen Beschluss gefasst, demzufolge die Verträge mit Festwirten einen (privatrechtlichen) Passus enthalten sollen, der letztere dazu verpflichtet, die Darbietung sexistischer, rassistischer und „extremer“ Songs zu unterlassen. Er reagierte damit auf eine feministische Initiative gegen das ‚traditionelle‘ Donaulied, das seit Jahrzehnten fröhlich aus Vergewaltiger-Perspektive gesungen wird. Auf der Grundlage dieses Beschlusses solle nun auch „Layla“ nicht auf städtischen Veranstaltungen gespielt werden. Der Sprecher der Bürgerdienste in der Stadtverwaltung, Uwe Zimmermann, begründete dies mit dem Sexismus des Songs, der von Musikwissenschaftler*innen festgestellt wurde: „Wir haben uns da die Entscheidung nicht leicht gemacht, denn es gibt natürlich viele Lieder die, sagen wir mal, auf Ballermann-Niveau formuliert sind. Aber wir haben in Würzburg ein Familienvolksfest für Jung und Alt“ (Zimmermann in TV Mainfranken 2022: 0:40). Würzburg blieb mit diesem Regulierungsversuch nicht allein, aber in einer Reihe von Festzelten, in denen das Lied nicht von den Festzelt-Bands und -DJs gespielt wurde, sang es das Publikum von sich aus; ohne – oder mit später einsetzender – instrumentaler Begleitung. Auf dem Münchner Oktoberfest wurde es zum meistgespielten Lied, zum ‚Wiesn-Hit‘ – wobei die Bands eine textlich entschärfte Variante spielten, die das Publikum dann mit Gusto überstimmte.[7]
Aufschlussreich sind die Layla-Affäre und der Song sicherlich in erster Linie hinsichtlich der Mechanismen der politischen und medialen Empörungsbewirtschaftung. Bei Publizist*innen, die auf den Kulturkampf und seine Triggerpunkte spezialisiert sind, wurde der Skandal sofort in Zeitdiagnosen eingeordnet, in denen die politische Linke durch Moralisierungen einen neuen Illiberalismus befördert. So schreibt der konservative Autor Alexander Kissler von der Neuen Zürcher Zeitung über die vermeintlichen Layla-Verbote: „Der Puritanismus schreitet voran, doch er stösst auf Widerspruch, glücklicherweise“ (Kissler 2022: o.S.). Der „Illiberalismus“ gewinne an Bedeutung, aber er werde am Hedonismus der Menschen scheitern. Kisslers moralanthropologisches Fazit lautet: „Der Mensch ist nun einmal mehr als die Summe der Verhaltensregeln, mit denen ihm wohlmeinende Politiker und Mitmenschen den rechten Pfad weisen wollen“ (ebd.). Das Summerfield Records-Label startete bei change.org eine Petition mit dem Hashtag #freelayla, die um die 50.000 Unterschriften erhielt. Im kurzen Petitionstext steht unter anderem: „Gegen Zensur! Für ein Leben nach Corona! Für künstlerische Freiheit! Für Freiheit und freie Meinungsäußerung! […] Die persönlichen Freiheitsrechte, die künstlerische Freiheit und der Wunsch der breiten Masse wird somit mit Füssen getreten! Wenn wir das zulassen, katapultieren wir uns zurück ins Mittelalter! In die Zeit der Hexenjagd! LAYLA wird so zum Sinnbild von Diskrimierung [sic] und Ausgrenzung.“[8]
Der Verweis auf die „breite Masse“ bringt das Populare ins Spiel – in einer Manier, die man populistisch nennen kann, auch wenn sie nicht ausargumentiert ist. Die Petitions-Autor*innen behaupten Äquivalenzen zwischen der Layla-“Zensur“ bzw. dem Ärger darüber und der Unzufriedenheit mit den freiheitseinschränkenden Maßnahmen rund um das Coronavirus. Damit stellen sie Äquivalenzketten im Sinne Ernesto Laclaus her (Laclau 2005) und ziehen eine Grenze zum konstitutiven Außen. In der BILD-Zeitung kommentierte Linna Nickel (2022): „Geht’s noch, ihr Spießer?“
Ich möchte an dieser Stelle nicht weiter auf die Rolle politischer Akteur*innen eingehen; der Begriff der Empörungsbewirtschaftung, den der Politikwissenschaftler Kurt Imhof geprägt hat, macht diese Seite der Geschehnisse sehr gut greifbar.[9] Auch die musikalischen Qualitäten des Songs selbst sollen hier nicht im Detail beschrieben werden – sie fügen sich in das Bild, das Claudia Bosch in ihrem Buch Fest und flüssig. Das Feiern im Festzelt als Cultural Performance (2015) von Stimmungsliedern zeichnet: Songs dieses Genres bemühen sich um die performative Herstellung einer enthusiastischen Feiergemeinde (nicht um kulturelle Distinktion), indem sie das niedrigschwellige Mitklatschen, Mitsingen und Mitmachen ermöglichen. Sie sind meistens deutschsprachig, enthalten einen Refrain, der aus Klangsilben wie La-La-La oder Na-Na-Na besteht, und bleiben in einem Tempospektrum, das problemloses Über-dem-Kopf-Klatschen erlaubt. Dazu gehören, wie Bosch schreibt, „Kraftausdrücke und frivole Doppeldeutigkeiten“ (ebd.: 152), die entweder Teil der Liedtexte selbst sind oder sich aus dem Performancezusammenhang ergeben, z.B. durch nahegelegte Ergänzungen sich reimender Tabubegriffe, oder eine Eigentätigkeit des Publikums wie bei „Joana“, einem Festzelt-Hit des Jahres 2008, bei dem das Publikum die dick aufgetragene Sentimentalität des Songs um Rufe wie „du geile Sau“ ergänzt.
Was hat Layla nun mit Moral und mit Moralisierungen zu tun? Zunächst einmal fanden hier nachträgliche Moralisierungen statt. ‚Moralisiert‘ wurde der Song zunächst durch die Kritik, dadurch, dass Festveranstalter*innen ihn als abzulehnen einstuften und auf eine schwarze Liste setzten. Zur Begründung verwiesen sie auf demokratisch legitimierte Antidiskriminierungspolitik, die wiederum in einer spezifischen Moral gründet, einer – im Verständnis ihrer Verfechter*innen – progressiven, machtkritischen und tendenziell universalistischen Moral, die es ermöglicht, althergebrachte Diskriminierungen zu bekämpfen. Andererseits schwingt in Formulierungen wie „Familienvolksfest für Jung und Alt“ auch eine Sexualmoral mit, die konservative Elemente hat, im Sinne einer generelleren Tabuisierung des Sexuellen. Kurz: Die Einvernehmen erheischende Thematisierung von Prostitution aus der Freier-Perspektive, die „Layla“ kennzeichnet, empört sowohl Feminist*innen als auch Katholik- und andere Christ*innen.
Ein expliziter, ausformulierter Antimoralismus wurde hier jedoch – wie gezeigt – eher von Zeitdiagnostiker*innen in Spiel gebracht, die auf größere Strömungen wie eine vermeintliche Cancel Culture verweisen, wobei der Deutungsrahmen, in den die allermeisten „Layla“-Hörer- und Käufer*innen die Phänomene einpassten, meines Erachtens weniger aus solchen Texten resultiert als aus einer viel tiefer sitzenden, auch diffuseren Bereitschaft, sich über Einschränkungen des eigenen Handlungsspielraums, der empfundenen eigenen Rechte zu empören (und sich dagegen zu wehren). Darüber hinaus ist aber auch in der sedimentierten kulturellen Form des Partyschlagers selbst ein reflexives, augenzwinkerndes Beharren auf ein Recht zum Bruch moralischer Regeln enthalten, zumindest im (eingehegten) Raum der Feiergebiete. Dabei muss es zunächst gar nicht speziell gegen Zeitgeistiges wie ‚woke Feministinnen‘ gehen, gleichermaßen stehen als spießig empfundene Anstandsregeln und der ‚heilige Ernst‘ der bürgerlich-kleinbürgerlich-christlichen Gesellschaft im Raum, wie sie zum Beispiel Kirche, Schule, der öffentlich-rechtliche Rundfunk und viele Chefs und Vorgesetzte repräsentier(t)en. Der Gestus von „Layla“ lässt sich problemlos mithilfe der Texte von John Fiske aus den frühen 1990er Jahren beschreiben: popular culture ist seiner (vielfach als kulturpopulistisch verfemten) Theorie zufolge ja in erster Linie von einem Vergnügen „der Leute“ geprägt, die eine „Erweiterung“ ihres „kulturellen Spielraums“ (Fiske 1999: 242) innerhalb eines vorherrschenden politisch-kulturellen „Systems“ (ebd.) erstreben. Für Fiske erklärt sich diese Form von Populärkultur letztlich aus dem untergeordneten, „beherrschten“ Status der Menschen, die die popular culture im Sinne einer Popularkultur bilden.[10]
Die hedonistisch-karnevalesk formatierte Rebellion gegen die moralischen Autoritäten hat aber auch eine traditionalistische Seite: Sie pocht auf ein althergebrachtes, informelles Recht „freier“ (weißer) Männer (zu einem sehr viel geringeren Maße Frauen, wobei auch diese hier nicht unter den Tisch fallen sollten), sich nichts vorschreiben zu lassen.[11] In diesem Sinn wendet sich der Partyschlager-Antimoralist auch gegen die ‚Übergriffe‘ eines moralischen Universalismus, der die Traditionen und die darin vorgesehenen (hierarchischen) Freiheitsräume nicht gelten lassen will. Diese anti-moralistische Stoßrichtung, die selbst moralisiert, indem sie das Traditionelle verteidigt, entspricht den ältesten Motiven der konservativen Moralkritik nach der Französischen Revolution, die vor allem gegen das Universalistische der aufklärerischen Moral gerichtet ist, von Edmund Burke über Wilhelm Heinrich Riehl bis zu Arnold Gehlen (2004), Hermann Lübbe (1985; 2019) und den Neurechten des Instituts für Staatspolitik in Schnellroda: Lasst die Traditionen und unsere Common-Sense-Moral mit eurem abstrakt-universalistischen „politischen Moralismus“ in Ruhe!
Solche Verbindungen stelle nicht nur ich her, das tun auch tatsächliche Autoritäten. KIZ, die Berliner Rapper, und Mehnersmoos aus Frankfurt, haben Ende September 2022 eine Anti-Wiesn-Breitseite veröffentlicht, die zugleich eine Wiesnhit-Parodie ist, „Oktoberfest“. Das Found-Footage-Musikvideo war nach kurzer Zeit nicht mehr bei YouTube verfügbar, wie es heißt aufgrund pornografischer Elemente (einige Sekunden verwackelter Handyaufnahmen von Geschlechtsverkehr und hand jobs bei Volksfesten). Sowohl in der überzeichneten Abgeh-Baller-Musik als auch in den Lyrics, einer antagonistischen Figurenrede, ist viel von dem enthalten, was ich über den Antimoralismus der Partyschlager und ihrer Verteidiger*innen sagen wollte. Am einfachsten lässt es sich am Text nachvollziehen:
„Uh, ja, ich sitz’ an dem Bierzelttisch
Während ich mir zwischen die Füße piss’
Meinem Sitznachbar seinen Pimmel wichs’
Heute begeh’ ich ein’ sexuellen Übergriff
Spießer sagen: ‚Vergewaltigung‘
Wir nenn’n es einfach nur Tradition
Zieh’n paar Nasen Koks, singe ‚Layla‘
Bevor ich in der Pissrinne einschlaf’“.
(KIZ/Tarek KIZ/Mehnersmoos 2022)
Dieser Gegen-Song stellt das ‚Feiern‘ als Welt ungestrafter sexueller Übergriffe dar, von Fahrerflucht mit drei Promille und hackedichtem Hitlergruß. In den Lyrics steckt eine ganz ähnliche Analyse wie in meinen Ausführungen in diesem Abschnitt: im Rekurs aufs Althergebrachte, den die Rapper und ich den Wiesn-Fans und „Layla“-Kulturkämpfer*innen unterstellen; in der Darstellung, letztere würden die Kritik als spießig und moralistisch abqualifzieren. Dieser Anti-Wiesn-Song bietet ein typisches Beispiel für anti-populare Popkultur mit emanzipatorischem Horizont: das ist Popmusik gegen ‚die Leute‘, wie sie sind, auch gegen ‚populäre‘ Musik – wobei für KIZ ebenso charakteristisch ist, dass die Texte und der ganze Gestus ihrerseits weit vom Verzicht auf ‚problematische‘ Elemente entfernt bleiben.[12]
Das Video ist, während ich dies schreibe, nur noch bei Telegram und auf Reddit verfügbar, es ist ‚gecancelt‘, womit wir beim nächsten Abschnitt angelangt sind.
Fler/Frank White
Cancel Culture Nightmare lautet der Titel des letzten Albums der Berliner Rappers Fler alias Frank White und seines langjährigen Kompagnons Bass Sultan Hengzt, erschienen Anfang 2022 (Frank White & Bass Sultan Hengzt 2022a). Der Titel ist eine Provokation in Richtung intellektuelle Diskursgemeinde; Fler agiert mit dieser Titel-Setzung, wie es in einer Rezension heißt, in Troll-Manier; der Titel wirkt „wie ein Honigtöpfchen in die um politische Korrektheit bemühten Kreise hinein“ (Lippe 2022: o.S.). Auch ich wurde offensichtlich angelockt. Wie zu Aggro-Berlin-Zeiten schielt der Rapper auf solche Effekte. Er greift Zeitgeistthemen auf und produziert Material für die Interpretationsmühlen. Im Album selbst spielt die Rede von der Cancel Culture direkt nur im „Intro Carlo Gangster“ eine Rolle, das die Rapperin Liz vorträgt:
„Und jetzt kommt ihr ganzen kleinen Schlampen und wollt uns canceln
Wen wollt ihr hier canceln, heh?
Was sind diese Cancel-Mancel Culture-Multure?
Dicka, lass mich in Ruhe, Dicka!“
(Frank White & Bass Sultan Hengzt feat. Liz 2022)
Auch wenn das Phänomen „Cancel Culture“, was auch immer es genau sein mag, allenfalls als Schlagwort eine Rolle spielt, so sind Moralisierungskritiken im engeren Sinne in anderer Weise präsent: Fler und Hengzt wenden sich immer wieder an ihre realen und imaginären Kritiker*innen und ziehen Grenzen. Dabei stellen sie den Kontrast zwischen den Weltverbesserungsansprüchen dieser Anderen und der eigenen Einstellung heraus. In „Gangster vor dem Rap“ heißt es: „Leute sterben, Klimawandel, Mann, die Welt ist gefickt / Doch alles, was mich interessiert, ist, ob die Felge noch blitzt“ (Frank White & Bass Sultan Hengzt 2022b). Hier wird, inhaltlich, keine Klimawandel-Leugnung präsentiert, sondern die Selbstreflexion aufgeklärten Moralverzichts. Die Haltung, die den Hörenden hier präsentiert wird, lässt sich aus meiner Sicht auch so umschreiben: Ich weiß ja, worüber ich mich aufregen sollte, was die Sache selbst und das Über-Ich und der Diskurs von mir verlangen, aber ich beobachte mich dabei, wie mich das nicht interessiert. Warum aber interessiert sich dieses stilisierte Ich eher für Felgen-Bling als für (kurz gesagt, postmaterialistische) Werte? Auch dafür präsentiert der Songtext eine Erklärung – oder auch eine Rationalisierung:
„Interlektuelle [sic] hab’n Problem mit mei’m Rap
Doch für mich ist ‚Hurensohn‘ für dich politisch korrekt
Wäre Greta ausm Ghetto, würd sie Benzer fahr’n
In meiner Canada Goose steckt eine Gänsefarm“ (ebd.).
Die Liste moralischer Vergehen, die Fler und Hengzt in diesen und einigen anderen Zeilen erstellen (benzinsparende Fahrradfahrer werden überrollt und so weiter), erinnern auf den ersten Blick an „Leider geil“. An dieser Stelle geht es aber nicht um verpeilt-hedonistische Feiertypen mit schwacher Impulskontrolle – Fler und Hengzt als Gangsta-Rapper und als Diskursrap-Trolle stellen sich eher im Sinne einer kämpferischen Selbstdisziplinierung dar, argumentieren vor allem aber – zitathaft verkürzt – soziologisch: Sie verweisen auf ein naturalistisches Narrativ, in dem Moral immer nur (Klassen-)Milieumoral sein kann. Die ‚Underclass‘ tickt eben anders: Wer sich durchgeboxt hat, bleibt ein Proll, dem es eher um die Zurschaustellung der eigenen Errungenschaften geht als um die Rettung der Welt (Seeliger/Dietrich 2017; Ege 2013). Dabei avanciert die Selbstbeobachtung („alles, was mich interessiert“) zur allgemeinen Theorie („Wäre Greta ausm Ghetto, würd’ sie…“). Diese mag, individualpsychologisch betrachtet, entlastende Funktionen haben. Zugleich schlagen sie damit die diskursprägenden, moralischen „Intellektuellen“, die „’n Problem mit [sei’m] Rap“ haben, mit ihren eigenen bevorzugten Waffen, nämlich mit den Mitteln der milieutheoretischen Erklärung (vgl. z.B. Vester 2001). Im Hintergrund stehen, wie Fler seine Theorie des eigenen Schaffens in Interviews erläutert, die Herabsetzungserfahrungen als ehemaliges „Heimkind“, das sich von den vermeintlich besseren Kreisen lebenslang belächelt fühlt (vgl. z.B. Fler 2014).
Fler und Hengzt rekurrieren also, und damit sind sie nicht allein, es ist ein genreweiter Diskursstrang, auf eine populare Welt – nichts anderes ist ja die Welt ‚der Straße‘. Und sie nutzen Theorien vom Popularen und von der Rolle und von den Formen der Moral in popularen Welten, um sich im Populären zu behaupten. Sozialwissenschaftlich lässt sich an dieser Stelle einwenden, dass diese Theorie zwar nicht aus der Luft gegriffen ist, dass sie aber eine spezifische Perspektive innerhalb einer sozialen Schicht als allgemeine ausgeben. Die Zusammenhänge zwischen Moral und Milieu sind (empirisch) vertrackt, aber es lässt sich durchaus sagen, dass moralische Orientierungen (Werte) und auch moralische Sprechweisen und Stile tendenziell milieuspezifische Ausprägungen haben.[13] Eine solche Typologie sollte man sich aber nicht kulturalistisch im Sinne getrennter Inseln vorstellen, sondern eher im Sinne Bourdieu’scher Dispositionen, Kraftfelder und Wahrscheinlichkeiten. ‚Realtypen‘, also individuelle Menschen, werden üblicherweise in viele Richtungen gezogen und verändern ihre Positionen – ebenfalls mit einer gewissen Regelmäßigkeit – im biographischen Verlauf (Lahire 2011). Viele Rap-Spielarten stellen den agonalen Antimoralismus aber als allgemeine, unausweichliche Unterschichtsmoral dar, nicht etwa – was plausibler wäre – als eine spezifische Weiterverarbeitung der Ausgangslage, die vor allem unter jungen Männern floriert, gerade im Umfeld/in Empfangsgebieten des mehr oder weniger organisierten Verbrechens (was bekanntermaßen milieuübergreifend vor allem junge Männer begeistert).[14]
Die Kurzfassung der Moral- und Moralismus-Kritik lautet an dieser Stelle also: Verurteilt uns nicht, ihr ‚da oben‘. Wir sind anders als ihr, ihr habt uns so gemacht – verurteilt uns nicht (wobei wir eigentlich noch schlimmer sind, als ihr denkt). Auch das ist ein reaktiver Antimoralismus, aber in einer anderen Spielart.
FKA Twigs
Ich komme zum letzten Beispiel, diesmal aus Großbritannien: FKA Twigs’ „Don’t Judge Me“, erschienen im Januar 2021, eine Kollaboration der Künstlerin mit dem Rapper Headie One und dem Produzenten Fred again. Die Brücke zum letzten Fallbeispiel macht die Problematisierung des Verurteilens aus, die hier schon im Songtitel anklingt – die Künstler*innen bewegen sich jedoch, was angesichts ihrer sonstigen Positionierungen im Feld der Urban Music kaum verwundert, in sehr unterschiedliche Richtungen. Die Lyrics, die FKA Twigs selbst vorträgt, sprechen einen ‚Anderen‘ oder eine ‚Andere‘ an, die das verletzliche Ich lieben und für es da sein sollen.
„Don’t judge me take care of me
Hold me in your arms […]
Don’t judge me, take care of my heart
Don’t judge me, be there for me
Don’t judge me, just hold me in your arms“
(FKA Twigs feat. Headie One and Fred again 2021)
Bemerkenswert ist auch das Video zum Song, das ebenfalls einen abstrakteren künstlerischen Anspruch markiert. Es zeigt gerade keine Welt der Sorge und der Liebe, in der Verletzlichkeit akzeptiert wäre, sondern – mithilfe einer Gegenüberstellung von offiziös-repräsentativen Räumen, in denen sich FKA Twigs befindet ohne darin zuhause zu sein, und der ‚Straße‘, auf der sich der (Gast-)Rapper bewegt – eine stilisierte Welt, in der Schwarze Frauen und Männer von unsichtbaren Kräften daran gehindert werden, ihren Weg zu gehen, Türen aufzustoßen, voranzukommen, in Sicherheit zu sein, oder sich auch nur in ihren Körpern zuhause fühlen zu können. Der Co-Regisseur des Videos, Emmanuel Adjei, wird in den Materialien zur Videoveröffentlichung so zitiert: Der Clip drehe sich um die Gewalt eines unsichtbaren Unterdrückers („the invisible oppressor“): „In this audio-visual document we get to witness artists FKA Twigs and Headie One, amongst other Black British influentials, fighting against invisible forces of judgement and oppression. Having the enormous Victorian-inspired fountain ‚Fons Americanus‘ by visual artist Kara Walker – depicting the historical, sorrowful story of slavery and colonization – as our setting, and particularly as the spirit of the film, this important monument creates another layer of depth and meaning to an invisible yet shared history“ (Adjei, in Skinner 2021).
Bemerkenswert ist auch das Video zum Song, das ebenfalls einen abstrakteren künstlerischen Anspruch markiert. Es zeigt gerade keine Welt der Sorge und der Liebe, in der Verletzlichkeit akzeptiert wäre, sondern – mithilfe einer Gegenüberstellung von offiziös-repräsentativen Räumen, in denen sich FKA Twigs befindet ohne darin zuhause zu sein, und der ‚Straße‘, auf der sich der (Gast-)Rapper bewegt – eine stilisierte Welt, in der Schwarze Frauen und Männer von unsichtbaren Kräften daran gehindert werden, ihren Weg zu gehen, Türen aufzustoßen, voranzukommen, in Sicherheit zu sein, oder sich auch nur in ihren Körpern zuhause fühlen zu können. Der Co-Regisseur des Videos, Emmanuel Adjei, wird in den Materialien zur Videoveröffentlichung so zitiert: Der Clip drehe sich um die Gewalt eines unsichtbaren Unterdrückers („the invisible oppressor“): „In this audio-visual document we get to witness artists FKA Twigs and Headie One, amongst other Black British influentials, fighting against invisible forces of judgement and oppression. Having the enormous Victorian-inspired fountain ‚Fons Americanus‘ by visual artist Kara Walker – depicting the historical, sorrowful story of slavery and colonization – as our setting, and particularly as the spirit of the film, this important monument creates another layer of depth and meaning to an invisible yet shared history“ (Adjei, in Skinner 2021).
Die Symbolik der Choreografie ist nicht nur angesichts solcher Deutungshilfen überdeutlich; Kara Walkers Skulptur und ihre historischen Referenzen füllen die letzten vielleicht noch verbleibenden diskursiven Leerstellen. Twigs’ ätherische (Kopf-)Stimme wiederum evoziert, scheint mir, eine Zerbrechlichkeit, die die Erfahrung, der Gewalt der rassistischen Verhältnisse ausgeliefert zu sein, und die Angst vor dem Verurteilt-Werden verbindet – auf die ihr eigene, artifiziell-stilisierte, eindringliche Art und Weise. Aber die Aneinanderreihung der beiden Begriffe „oppression“ und „judgement“ in dieser Pressemitteilung und letztlich auch im visuell-auditiv-narrativen Gesamtkonzept des Videos irritiert zugleich. Denn sind Unterdrückung und Urteile nicht doch zwei unterschiedliche Dinge? Wie kommen die Künstler*innen dazu, beides so eng miteinander zu verknüpfen, als verstünde sich der Zusammenhang von selbst? Wer würde die Künstlerin überhaupt verurteilen oder vielleicht auch „nur“ beurteilen wollen? In welchem Sinn? FKA Twigs ist jedenfalls nicht die einzige aktuelle Künstlerin, die ‚judgende‘ Blicke und Sätze beklagt. Die Klage über das ‚Judgen‘ ist also keine Idiosynkrasie dieser speziellen Künstlerin; ihr Sprechen hat Teil an einem Diskurs, der die Beschwerde über übergriffige Urteile mit einer Kritik an Unterdrückungsverhältnissen verbindet, die, wie hier impliziert wird, auch aus solchen Urteilen und Verurteilungen bestehen.
Damit bringen Künstler*innen wie FKW Twigs eine weitere Form von Moral- und Moralisierungskritik vor, die anders ausgerichtet ist als die bisher dargestellten. In den meisten derartigen Diskursfragmenten steht das Urteilen/Verurteilen zunächst einmal im Kontext von Social Media, wie bei Kendrick Lamar: Er vermeide Partys, er sei schon immer sozial distanziert, „They gon’judge your life for a couple likes on the double tap“, so beschwert er sich auf „Purple Hearts“, einem Lied über Liebe, Untreue, Misanthropie und Social Media (Kendrick Lamar 2021). „The double tap“ verweist auf das Liken auf Instagram; so schnell werde ein ganzes Leben abgeurteilt. Bei „NBPQ (Topless)“ der experimentellen R&B-Künstlerin Sudan Archives (2022) wiederum sind es die Kameras und Bildschirme, die Urteile sprechen. „It’s so hard to be/Judged by all of the TV screens/Get that camera outta my face/ʼCause they do many things“. In diesem Sprachgebrauch fallen, wenn vom Judgen die Rede ist, attraktivitätsbezogene ästhetische Einschätzungen – vor allem von Frauen – die an hegemoniale Normen gekoppelt sind, Urteile über ‚gute‘ und ‚schlechte‘ oder ‚falsche‘ Lebensführung und andere moralische Urteile bzw. Moralisierungen tendenziell zusammen. Oft scheint es aber auch erst die Problematisierung des (Ver-)Urteilens zu sein, die diese Ebenen verbindet. Emanzipation würde dann bedeuten, wie es in psychologischer Ratgeberliteratur heißt, sich vom Urteilen über das eigene Selbst und über andere abzulösen.[15]
Auch wenn „judgement and oppression“ in FKA Twigs’ Song und Video gewissermaßen struktuell kritisiert werden, stehen allein schon durch die Celebrity-Berichterstattung rund um die Künstlerin und ihre Partner der letzten Jahre auch zeitgenössische Medienöffentlichkeiten im Raum. Twigs alias Tahlia Barnett verklagte ihren Ex-Partner, den Schauspieler Shia LaBeouf, wegen häuslicher Gewalt und Übergriffen; in seinen Selbstbezichtigungen ist von krankhafter Eifersucht die Rede. „He made me feel like the worst person ever“, wird sie in einigen Artikeln zitiert (u.a. Daly 2021), die so – veröffentlicht ungefähr zur selben Zeit wie das Stück – zu Paratexten von „Don’t Judge Me“ werden.
Das Spektrum der Formen des Verurteilt-Werdens, die vom Song, seinen Paratexten und anderen Fragmenten des Judging-Diskurses in den Raum gestellt werden, reicht von der stereotypisierenden Fremdwahrnehmung überhaupt über Fragen der Akzeptanz des eigenen Körpers durch das eigene Selbst und durch Andere oder abwertende Kommentare und ‚Urteile‘ in sozialen Medien oder ‚toxischem‘ Beziehungsverhalten bis hin zur Problematik der Gewalttätigkeit und moralischen Fehlbarkeit der Unterdrückten selbst. Gerade diese Breite, die damit verbundene Behauptung von Zusammenhängen zwischen den Ebenen und damit auch eine gewisse Diffusität charakterisieren diese Variante einer Kritik des falschen Urteilens. Im Unterschied zu anderen Moralkritiken verteidigen diejenigen, die sie vorbringen, gerade nicht die Traditionen, den Hedonismus oder ein angestammtes Recht, sondern das verletzliche, von den Verhältnissen geschädigte Subjekt selbst. Dies geschieht, so scheint es, auch vor dem Hintergrund der moralischen Fehlbarkeit dieses Subjekts, aufgrund derer es einem moralischen Rigorismus nicht genügen kann, weshalb es aber nicht von seiner Klage über und seiner Anklage gegen die Verhältnisse ablässt. Der emanzipatorische Anspruch dieser Kritik muss jedenfalls gegen die gewaltvolle Tradition durchgesetzt werden, gegen die Normalität, wie sie ist.
Fazit
Die drei Beispiele und auch die einleitend angeführten anderen Songs haben gezeigt, dass sich auf der popmusikalischen Ebene aktueller Kulturkämpfe nicht einfach ein moralisches oder moralistisches und ein antimoralistisches Lager gegenüberstehen. Vielmehr werden als falsch empfundene Moralisierungen auf ganz unterschiedliche Weise popmusikalisch thematisiert und kritisiert. Das beinhaltet (fast durchgängig) wiederum auch eigene Moralreferenzen, explizit und implizit, in der Musik und in Paratexten. Moralverständnis und Moralkritik umfassen unterschiedliche Semantiken, seien sie dezidiert hedonistisch, stilisiert realistisch-antiidealistisch oder bezogen auf Verletzlichkeit, die in (auch internalisierter) Unterdrückung wurzelt.
Diese Semantiken sind – das ließe sich noch ausformulieren – sicherlich auch in musikalischen Genre-Logiken und damit verbundenen ästhetischen Mitteln und Ansprüchen verankert. Diskursiv lässt sich ein Teil dieser Differenzen aber auch auf die Gegenüberstellung von ‚traditioneller Moral‘ auf der einen und antitraditionalistischer, universalistisch-rechtebezogener Moral auf der anderen Seite zurückzuführen: Für die Verteidiger der traditionellen Moral sind es deren Kritiker, die moralisieren, weil sie mit Bezügen auf ‚abstrakte‘ Werte und Rechte das kritisieren, was doch Bestand haben sollte, z.B. das Recht auf ‚unkorrekten‘ Exzess. Für letztere besteht das Moralisieren dagegen gerade im Beharren auf oppressiven (traditionellen) moralischen Normen und darin, andere an diesen Normen zu messen. Die basale Unterscheidung dieser zwei Formen von Moralismus-Kritik, die sich entlang solcher Songs aufzeigen lässt, mag schematisch sein, aber sie schafft meines Erachtens einen Überblick, der in Debatten über Moralisierungskritik oftmals fehlt.
Ein anderer Teil dieser Differenzen speist sich aus einem generellen Unbehagen mit der Rolle der Moral im Alltag. Die Frage, inwiefern Erwartungen an moralisches Verhalten überfordernd und unrealistisch sind, verbindet Popmusik-Texte, alltagsethische Reflexionen und die kulturwissenschaftliche und philosophisch-ethische Debatte. So hat zum Beispiel Niklas Luhmann, dessen Texte beim Thema Moral geradezu ausfällig werden, herausgearbeitet, worin die Grundlagen dieses Unbehagens in modernen europäischen Gesellschaften bestehen. Luhmann beschrieb Moral als „hochinfektiösen“ Gegenstand (der sich nicht an die Differenzierungen hält, die Luhmann meinte konstatieren zu können) und formulierte, die gesellschaftliche Zivilisierungsaufgabe bestehe darin, Positionen und Institutionen zu schaffen, „mit denen man sich den Zumutungen der Moral entziehen kann“ (Luhmann 2008: 338). Als eine solche Institution verstand er den Takt im Sinne einer Höflichkeit, die moralische Urteile hintenanstellt. Popmusik trägt auf verschiedene Weise auch dazu bei, solche kulturellen Räume zu schaffen und lebbar zu machen – ohne deshalb ihrerseits moralfrei zu sein. Im Gegenteil entstehen immer wieder neue Konstellationen der Aktivierung und Deaktivierung des Moralischen, seiner Politisierung und Entpolitisierung.
Das generelle Unbehagen mit der Moral ist epochaler Art, es zieht sich durch die Moderne, erfährt jedoch auch konjunkturelle bzw. konstellationsspezifische Ausformungen.[16] Die gesellschafts- bzw. kulturpolitischen ‚Stellungskriege‘ der Gegenwart manifestieren sich in Spaltungsdiagnosen und werden von diesen zugleich mit konstituiert. In einem solchen Zusammenhang haben auch popmusikalische Moralkritiken ein Mobilisierungspotenzial und können zu symbolischen Grenzziehungen im Sinne Laclaus (2005) beitragen, die politische Lager- bzw. Allianzbildungen befördern. Popmusiker*innen ordnen sich Lagern zu und beziehen Position. Dies erfordert aber immer wieder diskursive Vereindeutigungsarbeit – oder auch, wenn diese eine für die reale oder potenzielle Fanbasis problematische Polarisierung erzeugt, ihr Gegenteil, also die Erzeugung neuer Ambivalenzen.
Die Imaginationen vom Popularen, die hier im Spiel sind, konnten in diesem Beitrag zumindest skizziert werden – z.B. als Gesamtheit der moralisch Fehlbaren (bei Deichkind), als große Festzelt- und Partygemeinschaft (bei DJ Robin und Schürze), als abjekte Welt der „Bauern und Frauenschläger“ (bei KIZ), als Welt der ‚Straße‘ (bei Fler), als Raum der intersektionalen Verletzungen und des Widerstands (bei FKA Twigs). Die zweigeteilte Imagination einer popularen, beherrschten Welt, die einer offiziellen, dominanten gegenübersteht, bleibt dabei wirkmächtig – sei es, indem ein Kollektiv der breiten Masse gegen abgehobene Moralwächter in Stellung gebracht wird, sei es, indem Anerkennung, Autonomie, die Verwirklichung von Schutz und von (Menschen-)Rechten eingeklagt werden, ‚von unten‘ oder ‚von außen‘. Manche der Beispiele, insbesondere der „Layla“-Komplex, aber auch Flers Positionierungen, fügen sich scheinbar reibungslos in das Muster „the people versus the power bloc“, wie es John Fiske formuliert hatte. Hier haben sich über längere Zeit recht klare Allianzen und auch Feindbilder herausgebildet. Auch bei FKA Twigs ist in existenzieller Weise von Unterprivilegierung die Rede; auch dieser Song thematisiert und gestaltet eine Verbindung zwischen popularer Erfahrung und ästhetischen Formen, die in Warnekens Sinn sowohl popular als auch populär sind. Die etablierten Semantiken des Popularen im engeren Sinn (also als Volk o.ä.) spielen jedoch kaum eine Rolle: Die Spaltung verläuft hier zwischen denjenigen, die von der Gewalt gezeichnet sind, und denjenigen, die sie ausüben oder ignorieren. Es mag von Anfang an absehbar gewesen sein, dass Songs wie „Don’t Judge Me“ kein populistisches Muster beinhalten – bemerkenswert ist aber, welche Rolle die Kritik herrschender moralischer Blickregime und Rigorismen auch in diesem Song und in den Diskursen, auf die er verweist, spielt. Die Beispiele illustrieren also, wie fragmentiert und konflikthaft die politischen Imaginationen vom Popularen und Populären auch in der Popmusik sind. Sie verweisen auf eine allgemeinere Logik, die sich im Sinne eines wissenschaftstheoretischen Critical Realism sozialstrukturell (oder auch identitätspolitisch) kontextualisieren lässt, aber nur mittels diskursiver Strategien wirkmächtig wird. Die Moral- und Moralismus-Kritik zieht sich in verschiedenen Varianten durch sie hindurch, ohne diese verschiedenen Positionen aber zu verbinden.
Dass auf diesem popkulturellen Wege also – wie Pop-Optimist*innen meinen könnten – neue Verbindungen und Allianzen über die politischen und alltagsethischen Lager hinweg entstehen würden, indem z.B. die gemeinsame Abgrenzung von der oppressiv-spießigen, moralistischen Welt eines dominanten Bürgertums betont wird, scheint mir angesichts dessen eine trügerische Fantasie vom Populären und seiner vermeintlich vereinenden Kraft zu sein. Wirksamer ist hier derzeit eher die symbolische Stärkung widerstreitender gesellschaftspolitischer Lager im Sinne des Blocks einer zunehmend populistisch geprägten Rechten auf der einen, die viele traditionalistisch-normative Antimoralismen unter dem Banner der zu verteidigenden (auch transgressiven) Freiheiten zu integrieren vermag[17], und einer antipopulistisch-progressiven Linken auf der anderen Seite, die ethisch richtiges Verhalten postuliert und deren Energien sich nicht zuletzt aus einer eigenen Form der Moralismus-Kritik speisen, die das Gegebene als unterdrückerisch kritisiert. Solche Spaltungslinien verlaufen, wie dieser Beitrag gezeigt haben sollte, in mancher Hinsicht anders als die Cleavage-Analysen suggerieren. Sie werden gerade auch auf diesem (pop-)kulturellen Weg immer wieder neu aufgeführt, plausibilisiert und variiert. Dies sind aber auch keine abschließenden, endgültigen Subjektivierungsangebote. Zudem sind beide ‚Lager‘ von Widersprüchen durchzogen und mit strategischen Dilemmata konfrontiert. Die der Linken wurden in den letzten Jahren vielfach diskutiert: Identitäts- vs. Klassenpolitik; die überproportional prominente Rolle der neuen Mittelschichten und die fehlender Repräsentation popularer Klassen. Ähnliches gilt aber auch für den rechten Block – und dort gerade für die Bezugnahmen auf das Populare und Antielitäre: Der trotzig-hedonistische populärkulturelle Antimoralismus kann letztlich nur notdürftig kaschieren, dass es gerade ökonomische Eliten sind, die anti-linke Politik fordern und fördern; das Lob der Transgression stößt auch innerhalb des rechten Lagers auf Widerstände. Der Volksfest-Hedonismus endet unweigerlich im Kater; das Lob einer zu guten Teilen migrantischen ‚Straße‘ und naturalistisch verstandener Hackordnungen ist mit den Bekenntnissen zu weiß-deutscher Dominanzkultur, die für weite Teile des rechten Lagers konstitutiv sind, kaum verträglich. Eine progressive Popkultur könnte clever-inklusivere Alternativen zu solchen Moralismus-Kritiken entwerfen, im Sinne einer De- und Rekonstruktion des Popularen im Pop, als auch – in aufklärerischer Absicht – die Widersprüche der anderen Seite akzentuieren. All dies im Bewusstsein, dass Satire und besseres Wissen allein weder vielversprechende Politik noch begeisternden Pop begründen.
Biographische Informationen
Moritz Ege ist Professor für Empirische Kulturwissenschaft/Populäre Kulturen an der Universität Zürich. Vorher war er an der Universität Göttingen und der LMU München tätig. Er gab zuletzt den Sammelband The Cultural Politics of Anti-Elitism heraus (Routledge 2023; hg. mit Johannes Springer) und beschäftigte sich mit Ethisierungsprozessen in der Stadtpolitik (u.a. „Urban Ethics“, Routledge 2021, hg. mit Johannes Moser). Weitere Bücher: Ein Proll mit Klasse. Mode, Popkultur und soziale Ungleichheiten unter jungen Männern in Berlin (Campus 2013) sowie Schwarz werden. „Afroamerikanophilie“ in den 1960er und 1970er Jahren (transcript 2007). Kontakt: moritz.ege(a)uzh.ch
Anmerkungen
[1] Diese Position entspricht meines Erachtens einem wissenschaftstheoretischen critical realism im Sinne z.B. von Andrew Sayer – eine Position, die im Unterschied zu radikalkonstruktivistischen oder neomaterialistischen Ansätzen in den Kulturwissenschaften eher zu wenig Beachtung findet.
[2] Darauf kann ich hier aus Platzgründen nicht weiter eingehen.
[3] Vgl. dazu zuletzt u.a. Schiller (2022), Dümling (2020) (über die „einfachen Leute“ des Populismus aus diskurstheoretischer Sicht). Zum Anti-Elitären vgl. die Beiträge in Ege/Springer (2023).
[4] Vgl. zur Diskussion Ege (2022); ähnliche Einschätzungen finden sich bei Gilbert/Williams (2022).
[5] Die Formel „ethisch-politisch“ ermöglicht es, die Frage nach der Sphärenunterscheidung hintenan zu stellen. Sie geht auf Antonio Gramsci zurück, der an begrifflichen Schlüsselstellen immer wieder solche Bindestrichsetzungen einsetzte (Haug 1987; speziell zu den Bindestrichen Haug 2012).
[6] Dass diese Beispiele aus verschiedenen nationalen Kontexten kommen (zweimal Deutschland, einmal UK), ist meines Erachtens nicht weiter problematisch, da es mir an dieser Stelle um eine explorative Typologie geht und nicht um kontextspezifische Zuordnungen. Ohnehin spielt sich all dies in transnationalen Bezugsfeldern ab. Das erste Beispiel ist mit Blick auf seine generelle Bekanntheit sicherlich sehr viel ‚größer‘ als das zweite und dritte, die eher in der Schnittmenge spezialisierterer Geschmackskulturen und des Mainstreams zu verorten sind.
[7] Ein ähnliches Muster (‚alte‘ Textvariante, während Kapellen nur die Melodien oder eine ‚entschärfte‘ Textvariante spielen) fand sich um 1900, als das antisemitische „Borkumlied“ vom Publikum an deutschen Badeorten gesungen wurde, obwohl Bäderverwaltungen und andere Behörden dies zu unterbinden versuchten (vgl. Bajohr 2003). Die Fälle sind offensichtlich nicht gleichzusetzen, aber beide veranschaulichen Dynamiken dominanzaffirmativen (christlich-‚weißen‘, meist männlichen) „Eigensinns“.
[8] https://www.change.org/p/freelayla-layla (Zugriff: 20.9.2022).
[9] Vgl. Imhof (2012). Die polemisch-antimoralistischen Untertöne dieser Begriffsprägung selbst sind hier nicht weiter relevant, der Begriff lässt sich in viele Richtungen wenden.
[10] Weniger hedonistisch argumentierend, aber dennoch an dieser Stelle ebenfalls relevant, ist Alf Lüdtkes Eigensinn-Konzept (2015).
[11] Dies erinnert an Eva von Redeckers Konzept der Verteidigung von phantomhaftem Besitz, vgl. Redecker (2020).
[12] Überlegungen zur anti-popularen Linie der Popkultur und ihre Hintergründe insbesondere in Deutschland habe ich an anderer Stelle ausgeführt, vgl. Ege (2023).
[13] Ein klassischer sozialwissenschaftlicher Verweis an dieser Stelle ist die Wertewandelforschung, der zufolge sich „postmaterielle“ Werte (zunächst) vor allem in relativ privilegierten Gruppen ausbreiten (Inglehart 1998). Die soziale Verankerung von Werten bzw. des Sprechens über Werte wurde auch von Pierre Bourdieu (1984) immer wieder betont.
[14] In der US-amerikanischen Inner-City-Ethnografie, die vor allem von African Americans handelt, finden sich solche Differenzierungen z.B. bei Elijah Anderson (1999) oder Mitchell Duneier (1994). Zu ähnlichen Erkenntnissen kommt (wenn auch nicht direkt auf Moral-Idiome bezogen) Stefan Wellgraf in seinen Berliner Schul-Ethnografien (2018), die u.a. in Neukölln spielen.
[15] Diese Zusammenhänge führe ich gemeinsam mit Julian Schmitzberger in einem anderen Artikel aus (vgl. Ege/Schmitzberger 2024, in Vorbereitung).
[16] Zur Unterscheidung epochaler und konjunktureller (bzw. konstellationsspezifischer) Analyse vgl. (im Rückgriff auf Gramsci und Williams) und zum ‚Stellungskrieg‘ u.a. Gilbert (2019) und Ege (2021); zum epochalen Unbehagen u.a. Mouffe (2007); Williams (2008); MacIntyre (2006).
[17] Auch das Muster eines libertären Autoritarismus (Amlinger/Nachtwey 2022) fügt sich zumindest provisorisch in diese Blockbildung ein.
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